Höllenfahrt nach Gainesville

Der Mestize Rusty Parker soll als Begleitschutz General Chesters Tochter Amanda zusammen mit einer Ladung Gold mit der Postkutsche durch feind-liches Comanchengebiet nach Gainesville führen, aber es ist ein Todeskommando. Während er die Gegend auskundschaftet, werden seine Schützlinge von Red Fox' kriegerischer Sippe angegriffen und gefangen-genommen. Nach der Befreiung können sie sich zwar in eine Traderstation retten, werden von den Indianern aber sofort belagert. Sie sind eine Handvoll Verzweifelte, die auf ein Wunder hoffen. Zu allem Übel stellt sich auch noch heraus, dass sie gar kein Gold transportieren, sondern etwas sehr viel Wertvolleres, das auch Amanda Chesters Verlobter haben will…

Blick in:

Höllenfahrt nach Gainesville

 

Der Mann, der aus der niederen Blockhütte trat, trug ein leuchtendes Baumwollhemd und verwaschene Levishosen, die in hohen Lederstiefeln endeten. Den grauen Stetson hatte er tief ins Gesicht gezogen, damit er nicht davon geweht wurde. Der Wind fuhr ihm in die Kleidung und ließdie Hosenstöße flattern.

Der Wind pfiff hier oben auf dem Plateau fast ständig um das einstöckige Blockhaus, wirbelte die Staubpartikel in kleinen Wolken in die Höhe und ließ sie wie wildgewordene Teufelchen über dem Boden tanzen. Lose Tumbleweedkugeln wurden herumgerollt, bis sie irgendwo zwischen den Felsen oder am Koppelzaun hängen blieben und sich in Windschlägen zu meterhohen Wänden auftürmten.

Nicht eilig, aber mit ausgreifenden Schritten, begab sich Rusty Parker hinüber zur Pferdekoppel, in der zwanzig halbgezähmte Mustangs das dürre, harte Gras abknabberten. Als er herankam, hoben sie wachsam die Köpfe, blähten die Nüstern in den Wind und äugten nervös zu ihm hinüber. Schließlich stoben sie davon und drängten sich in der hinteren rechten Zaunecke ängstlich zusammen. Nur sein Reitpferd blieb ruhig stehen und wieherte zur Begrüßung.

Rusty nahm das aufgerollte Lasso vom Pfosten. Geschickt fing er sich einen zierlichen Falben mit einem rhombusförmigen, weißen Stirnfleck und einer weißen, linken Vorderfessel ein. Er redete beruhigend auf sie ein, währenddem er sich unter den Latten hindurch in die Koppel schob, das Lasso langsam aufrollte und an die junge Stute herantrat. In diesem Moment vernahm er, wie das gescheckte Reitpferd warnend wieherte.

Ohne Hast drehte der große Mann sich um und blickte dem Reiter entgegen, der sich von Westen her näherte. Er beschattete die Hand mit den Augen, um ihn auf die Entfernung besser erkennen zu können. Sein Mundwinkel zog sich zu einem verbissenen Grinsen in die Höhe, als er Henry Stevens von der Wells & Fargo Company erkannte, einem Postkutschenunternehmen, für das Rusty Parker manchmal arbeitete, wenn die Gesellschaft wie jetzt durch die rebellierenden Comanchen stark unter Druck gesetzt wurde. Er wartete schon seit ein paar Tagen auf Stevens Ankunft, seit er erfahren hatte, dass die letzte Kutsche nicht mehr durchgekommen war, denn nun brauchte die Gesellschaft wieder gute Männer, die weder Tod noch Teufel fürchteten und mit ihren Waffen umzugehen verstanden. Rusty wusste, dass sich Stevens deswegen herbemüht hatte, um ihm einen jener Jobs anzubieten, für die sich die Weißen nicht gern hergaben oder ungenügend qualifiziert waren, weil er über die nötigen Fähigkeitenverfügte, die beim Kampf gegen Indianer unerlässlich waren, wenn ein gewagtes Unterfangen gelingen sollte. Er konnte reiten wie ein Comanche und schießen mit der Genauigkeit und Treffsicherheit einer Klapperschlange; er war kräftig wie ein Bulle und geschmeidig wie ein Wildkater, wenn es darum ging, einen Gegner das Fürchten zu lehren.

Gemächlich, fast schon ätzend langsam ritt Henry Stevens näher, als hätte er alle Zeit der Welt. Er war mittelgroßund leicht untersetzt. Hier in der trockenen Wüste von Texas wirkte der nobel gekleidete Mann in seinem schwarzen Prinz-Albert-Rock, der dazupassenden Hose und dem gestärkten, weißen Hemd, um dessen - durch den Staub nur noch fast - makellosen Kragen er eine Schnürsenkelkrawatte gebunden hatte, wie ein fehl am Platz scheinender Fremdkörper. Ein schwarzer Stetson schützte seine Augen und das etwas blasse Gesicht vor zu starker Sonneneinstrahlung. Graue Augen lagen unter buschigen Brauen und kurzen, geraden Wimpern. Von seinen Haaren war nur wenig zu sehen. Sein Äußeres war tadellos, und er saßkerzengerade im Sattel wie ein Reiter an der Wiener Hofreitschule. Vor dem Korral brachte er seinen Schwarzen zum Stehen.

Rusty zog den Falben hinter sich her zum Zaun und streckte dem Reiter die Hand entgegen. „Hallo, Mr. Stevens. So früh schon unterwegs?“, erkundigte er sich freundlich.

Der Unternehmer beugte sich leicht seitwärts aus dem Sattel, um ihn zu begrüßen. „Morgen, Parker.“ Beinah überschwänglich drückte er die nervige, schmale Hand des jungen Mannes, die von der Sonne gebräunt war und Schwielen von den Seilen und der harten Arbeit aufwies. Sein Händedruck war kräftig und bestätigte den Eindruck, den der Beobachter allein schon von Parkers Äußerem bekam; dass dieser Mann zuverlässig war und zu einem gegebenen Wort stand. „Ich hätte mal wieder einen Job für Sie“, kam Stevens gleich zur Sache, während er sich aus dem Sattel schwang.

Rusty nickte. Er schlang das Lassoende mehrmals um die obere Zaunlatte, damit ihm die Falbe nicht entwischte. „Gehen wir hinein, dort können wir reden“, schlug er vor. Gelenkig schlüpfte er zwischen den beiden unteren Latten hindurch aus der Koppel.

Einverstanden.“ Stevens nickte und band seinen Schwarzen an einem Zaunpfosten fest.

Nebeneinander gingen sie zum Blockhaus hinüber und traten ein.

Dieses bestand aus einem winzigen Raum, der sowohl als Schlafzimmer, Küche, als auch Vorratsraum diente. Über dem massiven Herdstuhl hingen Regale mit rußgeschwärzten Pfannen und Töpfen, daneben hatte Parker einen Stapel Brennholz aufgeschichtet. Bis auf einen Tisch, drei Stühle und einen Schrank, in dem er Geschirr, Gläser und Besteck sowie Kleider und Lebensmittelvorräte aufbewahrte, gab es nur noch seine mit indianischen Decken belegte Pritsche, die linkerhand an die Wand gerückt war. Darüber hatte er neben verschiedenen Fellen erlegter Tiere seine zwei Winchester, ein altes Repetiergewehr, eine Pistole neuesten Modells, eine Wasserflasche und einen ledernen Vorratsbeutel für unterwegs an die Wand gehängt. Durch die offene Tür und von drei Seiten fiel durch die kleinen Fenster etwas Tageslicht in den Raum.

Rusty Parker war ein genügsamer, praktisch denkender Mensch, der seine Haushaltung nach eigenem Gutdünken führte, weil er alleine lebte. Er war zwar trotz seiner Narbe, die sich quer über seine rechte Wange bis zur Schläfe zog, ein recht attraktiver Mann, aber dennoch weder bei Frauen, noch bei Männern sonderlich beliebt; außer bei den Huren, die er ab und zu besuchte, die nur Gutes über ihn zu berichten wussten. In der Stadt galt er nur als Der Wilde, obwohl sich gewiss insgeheim manche Frau ausmalte, wie er unter seinen Kleidern aussehen oder sich unter den Händen einer Frau anfühlen mochte. Aber laut hätte das natürlich niemand eingestanden. Grundsätzlich störte sich jeder daran, dass er kein Weißer, sondern ein Halbblut war, obwohl er mehr weiß als rot aussah.

Rustys indianische Mutter hatte den Chiricowa-Apachen angehört, Parker war der Name seines weißen Vaters gewesen. Beide waren bei einem Angriff feindlicher Comanchen ums Leben gekommen, als der Junge zwölf war. Von da an hatte er auf eigenen Beinen stehen und lernen müssen, sich im Leben zu behaupten. In der Zwischenzeit hatte er schon mehr Kämpfe ausgefochten, als mancher weiße Mann in seinem ganzen Leben. Unzählige Narben bedeckten seinen muskulösen Körper und durchzogen sein hageres Gesicht mit den hohen Wangenknochen, die ihn deutlich als indianischen Sprössling auswiesen. Ansonsten sah er wenig wie ein Apache aus. Er hatte die große, schlanke Gestalt und die blauen Augen seines Vaters geerbt. Seine Nase war gerade und schmal, nur das Haar hatte die Farbe von schwarzem Teakholz. Mit den hohen Wangenknochen war es das einzige äußerliche Merkmal, das seine Mutter ihm vererbt hatte, aber innerlich vereinigte er die Merkmale beider Rassen in sich. Die Wachsamkeit und Reaktionsfähigkeit der Indianer, die einen sechsten Sinn besaßen, der selbst während der Nacht nicht schlief. Im Unterbewusstsein vermochte er jedes Geräusch wahrzunehmen und richtig einzuordnen. Bei Anzeichen von Gefahr erwachte er automatisch und befand sich nicht in einem Zustand des Halbschlafs wie ein Weißer, sondern war schlagartig hellwach und reagierte dementsprechend schnell und gewandt. Es gelang selten einem Gegner, ihn zu überraschen. Dieser musste schon äußerst gewandt oder selbst ein Indianer sein.

Als Halbblut war Parker nirgends gern gesehen, entsprechend fühlte er sich nirgends recht zu Hause. Keine der beiden Rassen, die sich in ihm vereinigten, wollten ihn haben, weil er weder dem Weißen noch dem Roten ganz entsprach. Er war ein Heimatloser, ein Ausgestoßener. Er gehörte zu den Randgruppen, denen selbst die simpelsten Rechte abgesprochen wurden. Wie ein einsamer Wolf hatte er sich auf die Ranch seines Vaters zurückgezogen, dennoch war er stolz darauf, frei und unabhängig zu sein. Niemand redete ihm in Dinge hinein, die ihn nichts angingen. Hier draußen ließ manihn in Ruhe. Nur manchmal wurde ihm wie jetzt ein Job angeboten, der besonderes Können verlangte oder anderen zu gefährlich erschien.

Rusty störte sich schon lange nicht mehr daran, dass er den Weißen nur gerade gut genug war, um die Kastanien für sie aus dem Feuer zu holen. Er wusste um seine Fähigkeiten und war stolz, wenn sie herkommen und ihn bitten mussten, einen besonderen Job für sie zu erledigen.

Der leicht korpulente Wells & Fargo-Unternehmer legte seinen schwarzen Stetson auf den Tisch und nahm auf einem der drei Stühle Platz.

Einen Whisky gefällig, Mr. Stevens?“, fragte Parker, der zum Schrank hinüberging, ohne die Antwort seines Besuchers abzuwarten. Er holte Gläser und eine Flasche Bourbon heraus, stellte beides vor ihn auf den roh zusammengezimmerten Tisch und füllte die Gläser bis zum Rand, dann setzte er sich mit dem Rücken zur Wand rittlings auf einem Stuhl seinem Gast gegenüber. „Auf Ihr Wohl“, sagte er.

Cheers.“

Sie prosteten sich zu und tranken sie leer.

Während Rusty neu auffüllte, trommelte Stevens sichtlich nervös mit den Fingern auf die Tischplatte. Schließlich lehnte er sich im Stuhl zurück und faltete die Hände über dem Bauch, ehe er mit seinem Anliegen herausrückte: „Wie gesagt, ich möchte Ihnen einen Job anbieten, Parker. Wie Sie ja sicher gehört haben werden, ist die Postkutsche vor einer Woche nicht bis Gainesville durchgekommen. Die Comanchen unter Red Fox haben das Kriegsbeil ausgegraben, und es ist vorauszusehen, dass sie weiterhin alles abfangen werden, bis die Armee eingreift. Unglücklicherweise stehen uns die nötigen Truppen wegen dem Krieg nicht unbegrenzt zur Verfügung. General Carson hat uns mitteilen lassen, dass es wohl noch zwei Wochen dauern wird, bis er eine Schwadron abkommandieren kann. Gezwungenermaßen haben wir den Postkutschenverkehr solange vorübergehend eingestellt. Allerdings stehen wir jetzt vor einem Problem...“

Rusty sah ihn aus seinen blauen Augen durchdringend an. Wie es seiner Gewohnheit entsprach, stellte er keine Fragen, sondern wartete, bis Stevens ihm sein Anliegen vortrug.

Dieser fühlte sich sichtlich unwohl. Es lag ihm nicht, um einen Gefallen betteln zu müssen, wusste aber aus Erfahrung, dass Parker es ihm nicht leichter machen würde. Dem Mistkerl gefiel es, wenn er sich vor ihm erniedrigen musste! „Ich muss... ich meine...“ Er druckste ungemütlich herum, während er seine Knöchel vergewaltigte, die er mit einer nervösen Intensität betrachtete. „Die nächste Postkutsche muss schon morgen nach Gainesville aufbrechen!“, stieß er schließlich hilflos hervor, und weil er so froh war, dass es endlich heraus war, ließ er dem noch einen tiefen Seufzer folgen.

Parker warf ihm mit gerunzelter Stirn einen verständnislosen Blick zu. „Wieso denn das?“

Stevens schnaufte heftig, ehe er ihm die peinliche Situation erklärte, in der er sich befand: „Wir befinden uns in einer Notlage. Ich meine... Verstehen Sie mich bitte nicht falsch! Am liebsten würde ich die ganze Sache abblasen. Es geht um General Chesters Tochter. Das dumme Ding hat es sich in den Kopf gesetzt, unbedingt jetzt nach Gainesville zu ihrer Mutter zurückzufahren! Weil sie sich dort angeblich sicherer fühlt als bei uns in Cooper! Und der Herr Papa kann ihr natürlich keinen Wunsch abschlagen! Das heißt, dass wir morgen seine Tochter und deren Begleiter fahren müssen, ob wir wollen oder nicht! Eine Handvoll von Chesters Soldaten werden uns als Geleitschutz begleiten, aber damit fühle ich mich nicht sicher genug. Mir wär’s recht, wenn ein Mann Ihres Kalibers mit dabei wäre, auf den ich mich in diesen Dingen hundertprozentig verlassen kann. Sie kennen die Comanchen besser als jeder andere hier. Es wird notwendig sein, einen Mann mit Ihren Fähigkeiten dabei zu haben.“ Stevens sprach etwas abgehackt und mit einer Stimme, die vor Wut und Unverständnis über die blöde Zicke im lauter wurde. Schließlich schwieg er erschöpft und führte seinen Whisky an die Lippen.

Parker hatte ihm zugehört, ohne ihn zu unterbrechen. Nun starrte er immer noch schweigsam auf sein Glas, das er stirnrunzelnd zwischen den Fingern drehte.

Stevens musterte ihn ungeduldig mit zunehmender Nervosität. Er mochte es nicht, wenn Parker so lange überlegte, weil er dann befürchten musste, dass er den Job ablehnte.

Als Rusty den Blick hob und die Augen seines bedrückten Besuchers fixierte, schüttelte er verärgert den Kopf. „Das ist hirnverbrannt!“, konstatierte er.

Stevens nickte, er klang wirklich verzweifelt: „Ich weiß, ist es! Gott, Parker, wenn ich einen Weg wüsste, es ihm auszureden, täte ich es! Aber es geht nicht anders, der General besteht darauf! Der arme Kerl kann seiner Tochter nichts abschlagen.“

Armer Kerl?“, wiederholte Rusty entrüstet. „Der Mann ist total irre! Die Fahrt unter diesem Umständen jetzt zu wagen, ist absoluter Wahnsinn! Sie haben gerade erst erlebt, was passiert, wenn Sie Red Fox herausfordern! Der Mistkerl hat Spaß daran, Weiße zu töten und sie möglichst lange leiden zu lassen! Sie müssen warten, bis die Kavallerie hier ist!“

Mit verzweifeltem Kopfschütteln verwarf Stevens die Hände. „Das geht nicht! Ich sagte doch schon, der General besteht darauf, dass es sofort sein muss!“, stöhnte er hilflos.

Parker sah nun richtiggehend wütend aus. Auf seiner Stirn waren die Adern zu dicken Strängen angeschwollen, weil er sich dermaßen über General Chesters Tochter ärgerte, die ihre eigenen Interessen so wichtig nahm, dass sie sich keinen Deut um das Leben ihrer Begleiter scherte. Seine dunklen Augen glühten vor Zorn, als er Stevens seine Meinung darüber kundtat: „Sagen Sie dem General, er soll das Fräulein Tochter besser mal übers Knie legen und ihr ihre Verzogenheit aus dem Leib prügeln!“

Stevens verdrehte bestürzt die Augen. „Um Gottes Willen, was stellen Sie sich vor?“, entsetzte er sich, ehe er nach einem bekümmerten Seufzen einlenkte: „Natürlich wäre es das einzig Richtige, das wir tun sollten! Aber Sie wissen, dass ich dem General das nicht sagen kann!“

Aber gute Männer wegen einem Rock in den Tod schicken!“

Schuldbewusst zog Stevens den Kopf zwischen den Schulterblättern ein und nickte.

Rusty seufzte angewidert. Er wusste, dass der Kaufmann sein Geschäft nicht aufs Spiel setzen und sich gegen den General auflehnen konnte. Die zusätzlichen Fahrten für die Armee waren für ihn überlebenswichtig. Aber für diese brauchte er unbedingt Hilfe, um wenigstens in Erwägung ziehen zu können, dass sie es vielleicht bis nach Gainesville schafften. „Ist ein verdammt heißes Eisen!“, murmelte er mehr zu sich selbst als zu seinem Gegenüber und fast ohne die Lippen dabei zu bewegen.

Stevens nickte und trank hastig aus. Schweißperlen glänzten auf seiner Stirn, ein Zeichen, dass er extrem unter Druck stand und sich vor seiner Weigerung fürchtete. „Ich weiß. Deshalb bin ich ja hier. Selbstverständlich werden Sie entsprechend bezahlt werden, und... - Ich bitte Sie, kann ich mit Ihnen rechnen?“ Er sprach abgehackt, sah Parker mit einem hoffnungsvollen und zugleich ängstlichen Blick an wie ein bettelnder Hund.

In dessen Miene zuckte es, um ein Haar hätte er laut losgelacht, wenn die Lage für die Reisebegleiter nicht so todernst gewesen wäre. Es lag auf der Hand, dass sie es ohne ihn mit ziemlicher Sicherheit überhaupt nicht schaffen würden, bis nach Gainesville zu gelangen. Selbst wenn er bei ihnen war und die Zeichen der Comanchen lesen konnte, blieb die Fahrt ein gewaltiges Risiko. „Ich hoffe, Ihre Kutscher sind sich dessen bewusst, worauf sie sich da einlassen!“, murmelte er nachdenklich.

Stevens nickte. „Denen gefällt es genauso wenig wie mir. Aber wie gesagt, uns bleibt nichts anderes übrig.“

Obwohl sein Entschluss bereits feststand, konnte es sich Parker nicht verkneifen, den Unternehmer noch ein bisschen auf die Folter zu spannen. Mit einem Anflug von Ironie fragte er: „Was würden Sie tun, wenn ich Nein sage?“

Der gute Mann hätte nicht weniger schockiert aussehen können, wenn er ihn ins Gesicht geschlagen hätte, doch er hielt Parkers Blick tapfer stand. Zu nicken und ihm das zuzugestehen, kostete ihn Überwindung: „Das ist Ihr gutes Recht. Keiner könnte Sie dafür haftbar machen! Aber es wäre ein Desaster!“, krächzte er atemlos und versuchte eindringlich zu betonen: „Aber wir werden trotzdem fahren müssen! Gott allein weiß, ob die Kutsche dann ankommen wird!“

Parker lächelte geschmeichelt. „Wie’s scheint, halten Sie recht große Stücke auf mich.“ Er wusste, dass es so war, auch wenn Stevens es öffentlich nie zugeben würde. „Dabei ist dieser Auftrag mit oder ohne mich ein Todeskommando!“

Stevens starrte ihn mit geweiteten Augen entsetzt an, während er die Hände verrührte. „Das hoffe ich nicht!“

Ich auch nicht. Es geht immerhin um mein Leben!“

Der Unternehmer sah jetzt beinahe käsig aus, weil alles darauf hindeutete, dass Parker tatsächlich ablehnen würde. „Bitte, helfen Sie uns! Helfen Sie meinen Männern!“, flehte er.

Wie viel?“, fragte Rusty ruhig, ohne den Blick seiner blauen Augen von Stevens Gesicht zu nehmen.

Dieser seufzte erleichtert auf; wenn Parker nach dem Preis fragte, war das schon mal ein gutes Zeichen. Der Preis war verhandelbar, wenn dafür die Chancen für das Unternehmen stiegen. „2 000 Dollar!“ Während er ihm die stattliche Summe nannte, studierte er ausführlich Parkers Miene, in der Hoffnung, darin die Antwort lesen zu können. „Das ist verdammt viel Geld!“, betonte er drängend.

Rusty nickte. „Aber auch ein verdammt gefährliches Geschäft. Das Leben einer schönen Frau und einer Handvoll Soldaten ist doch sicher etwas mehr wert. Ich arbeite nicht gern für einen Hungerlohn, wenn ich mein Leben riskiere, das sollten Sie inzwischen wissen, Mr. Stevens. Legen Sie noch zwei drauf und ich bin Ihr Mann.“

Dieser hob die Achseln und grinste schief, obwohl er wusste, dass Feilschen für Parker inakzeptabel war. Trotzdem sah er sich genötigt, es zumindest zu versuchen, weshalb er ungemütlich und vor Verlegenheit abgehackt erklärte: „Das Angebot... ich meine... der genannte Betrag, die 2 000 Dollar... sie stammen von General Chesters persönlich, nicht von mir. - Aber ich werde ihm sagen, dass Sie die Verantwortung damit nicht übernehmen können.“

Rusty verzog seinen dünnlippigen Mund zu einem fast erheiterten Lächeln, aber seine Augenpartie blieb dabei unbewegt. Die Lage, in der sich die Kutscher und Soldaten dieses Todeskommandos befanden, war dafür einfach zu ernst. „Können könnte ich schon, aber ich will nicht!“, erklärte er und fügte hinzu: „Sagen Sie ihm das. Nennen Sie ihm meinen Preis. Wenn er zusagt, reite ich mit, andernfalls kann er sich die Sache aus dem Kopf schlagen! Das wäre ohnehin das Beste. Sagen Sie ihm, dass es unverantwortlich ist, das Leben dieser Männer wegen einer verzogenen Göre aufs Spiel zu setzen!“

Ist gut, ich werde ihm Ihre Nachricht überbringen, Parker“, nickte Stevens erleichtert. Er ging davon aus, dass der General keine andere Wahl haben würde, als das Angebot entsprechend zu erhöhen, schließlich stand zuviel auf dem Spiel. Dennoch war er sich bewusst, dass Chesters toben würde. Das Halbblut verstand es, Geschäfte zu seinen Bedingungen zu machen, doch immerhin ging es um eine äußerst wertvolle Fracht. Und der General vergötterte seine schöne Tochter. Parkers Aufgabe bei diesem Wahnsinnsunternehmen war zudem nicht leicht. Er und die anderen riskierten Kopf und Kragen, um das Mädchen mit ihrem Verlobten nach Gainesville zu bringen!

Stevens seufzte innerlich. Er konnte den Mann beim besten Willen nicht verstehen, dass er nicht nach einer geeigneteren Lösung suchte oder den vereinbarten Termin verschob. Dass die Comanchen das Kriegsbeil ausgraben würden, hatte ja niemand voraussehen können. Er fragte sich, wie General Chesters nur annehmen konnte, dass seine Tochter so sicher wie in Abrahams Schoss mitten durch das feindliche Indianergebiet gelangen würde?

Vorerst war es hier in Cooper ja noch sicher, aber nein, sie mussten unbedingt nach Gainesville, und das ausgerechnet zu dieser Zeit! Der General hatte ihm zwar erklärt, dass die Wichtigkeit der Fracht keinen Aufschub duldete, dennoch verstand er es nicht. Er an Chesters Stelle hätte alle Hebel in Bewegung gesetzt und es entgegen aller Konsequenzen nicht getan! Die Folge daraus würde wahrscheinlich sein, dass er seine Tochter, deren Verlobten und alle ihre Begleiter für ein unmögliches Vorhaben opferte, das nicht zu bewerkstelligen war! Vor ihnen lagen gottverdammte 96 Meilen wildzerklüftetes Gebirge, das voller blutrünstiger Feinde steckte, die nur darauf warteten, sich ihre Skalpe zu holen. Zudem eine ausgetrocknete Wüste mit kahlen, braunen Hügel, wo es nichts gab außer Saguarokakteen und stachlige Mesquitesträucher und dazwischen ein paar hohe Grasbüschel. Eine höllische Gegend, trocken, rau und sandig und vor Hitze flimmernd. Bis zur ersten Raststation waren es dreißig Meilen! Erst dort gab es wieder Wasser und Schutz vor den aufständischen Indianern!

Ihm schauderte davor, die Kutsche mit seinen Männern auf diese Höllenfahrt schicken zu müssen. Ich muss noch mal versuchen, den General umzustimmen!,dachte Stevens bedrückt, doch er ahnte schon zum Voraus, dass er gegen eine Wand des Starrsinns reden und jedes Wort sinnlos sein würde. Wenn sich Chesters erst mal etwas in den Kopf gesetzt hatte, war er wie ein Bullterrier nicht mehr davon abzubringen!

Etwas schwerfällig erhob er sich und trat mit Parker vor die Hütte hinaus. Die Sonne blendete ihn trotz des Hutes. Er zog ihn tiefer in die Stirn und kniff die Augen zu schmalen Spalten zusammen.

Rusty reichte ihm freundschaftlich die Hand. „Ich komme in der Früh bei Ihnen vorbei, Mr. Stevens. Wenn der General zahlt, mache ich den Job, wenn nicht, kann er mir den Buckel runterrutschen! Sagen Sie ihm das und bestellen Sie der Geier-Lady einen Gruß! Kommen Sie gut nach Hause.“

Stevens nickte und erwiderte den Händedruck. Er war nur wenig erleichtert. Ob er Parker für das mordsgefährliche Vorhaben gewinnen konnte, würde erst der morgige Tag zeigen. „Bis morgen also“, murmelte er und ging mit zu Boden gerichtetem Blick davon zu seinem Pferd.

Parker beobachtete, wie der Unternehmer etwas umständlich aufstieg, den Schwarzen gegen die Stadt wendete und in einem leichten Trab davonritt. Er machte sich so seine Gedanken über das geplante Wagnis. Er wusste, dass es verdammt gefährlich war und sie alle ihr Leben aufs Spiel setzten. Und das nur wegen einer Frau! Obwohl er Amanda Chesters noch nie gesehen hatte, war er voller Wut und Verachtung für sie. Wer gedankenlos tapfere Männer in den Tod schickte und sich wissentlich selbst in Gefahr brachte, der war entweder egomanisch oder strohdumm und hatte von ihm keinerlei Respekt zu erwarten. Selbst wenn sie von weißer Hautfarbe war, einen Befehl dieser Frau würde er nie und nimmer von ihr akzeptieren! Vielleicht würde er ihr sogar vor die Füße spucken, um ihr zu zeigen, wie verabscheuungswürdig er sie fand.

Parker war sich in Klaren, was er riskierte, aber er wusste auch ganz genau, dass morgen alle ohne ihn verloren sein würden, wenn sie tatsächlich aufbrachen. Die Weißen verstanden die Rauchsignale der Comanchen nicht und sie konnten auch nicht Spuren lesen! Das würde er für sie tun müssen! Und er würde für sie gegen Red Fox kämpfen, weil er ihn genauso oder noch vielmehr hasste als sie, weil er unter den aufständischen Rothäuten gewesen war, die seine Eltern und viele andere Chiricowa-Apachen umgebracht hatten. Damals war er gerade erst zwölf gewesen!

Noch immer blies der Wind. Er fuhr ihm unter die Hutkrempe, dass sein halblanges, schwarzes Haar wie eine Fahne hinter ihm herwehte. Rusty verdrängte die Gedanken an den morgigen Tag und kehrte zur Pferdekoppel zurück. Es gab noch viel zu tun, ehe er das Haus verlassen konnte. Er hatte einem Rancher aus der Umgebung die zwanzig Mustangs bis anfangs nächster Woche versprochen, bis dahin sollten sie zumindest halbwegs eingeritten sein. Es kam ihm zugute, dass er schon fleißig daran gearbeitet und bis auf zwei alle zugeritten hatte.

Parker schob sich wieder in die Koppel und trat auf die kleine Falbe zu. Sie zitterte unter seiner Berührung, als seine Hand streichelnd von ihrem schlanken Hals über Widerrist, Rücken und Kruppe hinunter zur Flanke glitt. „Ganz ruhig, meine Süße“, murmelte er dabei besänftigend. Er umrundete sie, berührte sie. Irgendwann legte er ihr vorsichtig den Sattel auf. Seine Bewegungen waren langsam und bedächtig, nichts machte er hastig, um die Stute nicht noch mehr zu erschrecken. Sie versuchte den leichten Sattel wie ein lästiges Insekt mit einem Rütteln zu verscheuchen, doch Rusty hielt ihn geschickt oben und zurrte den Bauchgurt fest. Das gefiel ihr noch viel weniger. Mit wild rollenden Augen und empörtem Wiehern sprang sie mit allen Vieren in die Luft, gleichzeitig keilte sie mit den Hinterbeinen aus. Er wich ein wenig zur Seite hin aus, gab aber den schmalen Kopf mit dem Lasso nicht frei. Er griff nach dem Zaumzeug, und noch ehe sie recht begriff, wie ihr geschah, hatte er ihr schon die Gebisskette zwischen die Zähne geschoben. „Na komm, Lady, wir sind hier nicht auf ’ner Tanzparty. Sei artig. An den Sattel wirst du dich schon gewöhnen müssen.“ Die Lady schüttelte unwillig den Kopf und versuchte nach ihm zu schnappen.

Es gelang ihm gerade noch, seinen Arm vor ihren Zähnen rechtzeitig in Sicherheit zu bringen, so dass sich nur in seinem Hemd vergruben. „Willst du wohl loslassen, du kleine Hexe! Benimm dich anständig, sonst wirst du mich gleich ganz anders kennenlernen!“, zischte er und riss sich los, als sie gelangweilt schnaubte und dabei den Griff der Zähne etwas lockerte. „Na, Lady, ist doch besser, wenn man sich verträgt, oder?“ Rusty grinste und löste nun langsam die Lassoschlinge von ihrem Hals. Er tat es langsam und redete beruhigend auf sie ein. Die Lady blieb tatsächlich stehen und beäugte neugierig jede seiner Bewegungen.

Er zog sein Hemd aus und faltete es zusammen, um es der Stute unter den Backenriemen hindurch über die Augen zu legen, damit sie ihn überhaupt in den Sattel ließ. Anschließend öffnete er das Gatter und führte sie hinaus. Lady folgte ihm zögernd. Sie zitterte, weil sie nicht wusste, wohin sie trat und was da auf sie zukam, doch schließlich folgte sie dem Druck der Trense in ihrem weichen Maul. Nachdem er das Tor geschlossen hatte, trat er an ihre linke Seite heran und griff nach dem Sattelhorn. Ehe die Falbe reagieren konnte, schwang er sich in den Sattel. Mit einem einzigen Satz riss er sich in die Höhe, ohne dabei mit den Füßen Steigbügel oder Kruppe zu berühren. Die Stute erschreckte sich zutiefst, als sie plötzlich das schwere Gewicht auf ihrem Rücken spürte. Sie machte einen Satz in die Luft und stieß ein wildes Wiehern aus.

Ein paar ihrer Artgenossen antworteten ihr.

Rusty presste die Knie fest an den Pferdeleib, straffte die Zügel und gab jeder ruckartigen Bewegung mit seinem Körper nach. Mit der Rechten entfernte er das rote Baumwollhemd von ihren Augen und ließ es zu Boden fallen. Die Falbe bockte, keilte aus und versuchte ihn mit allen möglichen Tricks loszuwerden, doch Rusty ließsich nicht abwerfen. Wie eine Klette klebte er auf ihrem Rücken. Während er mit der Rechten das Gleichgewicht ausbalancierte, hielt er sich einzig mit den Schenkeln oben und sorgte durch die kurzen Zügel dafür, dass sie den Kopf nicht zwischen die Beine werfen und einen Katzenbuckel machen konnte.

Eine Weile ließer sie toben, dann zog er ihr einmal hart die langen Zügelenden über die Kruppe, worauf sie erschrocken aufwieherte und wie von der Sehne geschnellt davonschoss. Ihre kleinen, unbeschlagenen Hufe griffen sicher auf dem harten, mit kurzem Gras bewachsenen Boden aus. Den schmalen Kopf so weit wie möglich in die Höhe und nach vorne gereckt, die Nüstern gebläht, rannte sie, als hinge ihre Leben davon ab. Kraftvoll und geschmeidig spielten die Muskeln unter dem seidigen Fell, das wie Bronze an der Sonne glänzte.

Parker ließ die Stute laufen, bis sie von selbst langsamer wurde. Sie war erschöpft und sah ein, dass sie trotz aller Hartnäckigkeit gegen ihren Bezwinger nicht ankam. Abgekämpft ließsie sich wenden und trabte zur Farm zurück. Sie gehorchte den Zügelhilfen, hielt den Kopf gesenkt und schnaubte verdrossen. Ihr Fell war schweißbedeckt, als er sie vor der Koppel zum Stehen brachte und abstieg. Er öffnete das Gatter, führte sie in die Umzäunung und sattelte sie ab. Auf seinem narbigem Gesicht glänzten Schweißperlen, aber er fühlte sich keineswegs müde, zudem war seine Arbeit noch nicht beendet. Mit beruhigenden Worten tätschelte er der Stute den Hals und ließ sie zur Herde zurücklaufen, dann nahm er das Lasso wieder zur Hand.

Diesmal fing er sich einen schwarzen Hengst ein, dessen Fell im Sonnenlicht wie seidiges Pech glänzte. Er war voll ungebändigter Wildheit. Die dunklen, rollenden Augen, die von feinen, roten Äderchen durchzogen waren, schimmerten feucht, die weitgeblähten Nüstern vibrierten. Der kurze Rumpf, die breite Brust und die groben Fesseln zeugten von enormer Kraft und Ausdauer. Als sich das Seil über seinen edlen Kopf senkte, um den schlanken Hals legte und Parker zuzog, explodierte er wie eine Granate. Mit einem wilden, langgezogenen Wiehern stieg er auf die Hinterhand und schlug mit den Vorderhufen Löcher in die Luft, als wollte er einen unsichtbaren Feind erschlagen. Erschrocken sprengte die Herde auseinander, um von seinen wirbelnden Hufen nicht getroffen zu werden.

Rusty Parker lächelte. „Du hast Klasse und Feuer, mein Junge, und du hast Dynamit in den Knochen. Das dachte ich mir schon, darum sparte ich dich auch bis zum Schluss auf. Jetzt zeig, was du kannst“, redete er leise und besänftigend auf ihn ein, doch der Schwarze ließ sich nicht beruhigen. Kaum berührten seine Hufe den Boden, weil er ihn mit einem Ruck des Lassos aus dem Gleichgewicht gebracht hatte, stieg er wieder und keilte wild nach allen Seiten hin aus.

Rusty versuchte sich ihm zu nähern und zog sich dann wieder zurück. Er spielte mit dem Hengst, um ihn zu ermüden. Der schwarze Teufel schien tatsächlich mit Dynamit geladen zu sein. Das Spiel zwischen den beiden ungleichen Kämpfern dauerte schon mehr als eine halbe Stunde, und noch immer zeigte er keinerlei Müdigkeitserscheinungen. Er drehte mehrere Runden in der Koppel, blieb plötzlich abrupt stehen, sprang mit allen Vieren in die Luft, drehte sich hölzern einmal um sich selbst und schoss dann in der entgegengesetzten Richtung davon.

Parkers Augen brannten. Durch den salzigen Schweiß, der ihm in Strömen über den Körper und in die Augen lief, hatten sich seine Bindehäute entzündet. Die Sonne brannte heiß und unerbittlich auf ihn herab und trug das ihrige dazu bei, um ihn nächstens kapitulieren zu lassen. Er keuchte vor Anstrengung. Ein solches Pferd hatte er noch nie zuvor erlebt. Sein Atem ging stoßweise und flach, dennoch dachte er noch lange nicht daran, schon aufzugeben, bevor er überhaupt im Sattel gesessen hatte. „Ich muss es auf andere Weise versuchen“, beschloss er und schlang das Lassoende um eine Zaunlatte. „Dich kriege ich schon weich, du Teufel!“, murmelte er, als er sich mit dem Handrücken über die Augen fuhr.

Er pfiff sein Reitpferd heran und sattelte es, dann ging er ins Haus und holte den Ersatzsattel und ein zweites Lasso. Er fing sich eines der eingerittenen Tiere ein, das ebenso ausdauernd und kräftig war wie sein eigenes. Nachdem er auch dieses aufgezäumt und gesattelt hatte, schwang er sich auf den Rücken seines Schecken und löste das Lasso vom Zaun. Mit ein paar Umwicklungen schlang er das Ende um den Sattelknopf und gab dem Schwarzen etwas Seil nach. Er ritt aus der Koppel und zerrte den widerstrebenden Hengst hinter sich her.

Als dieser die Schlinge nicht mehr so straff um den Hals spürte, während Parker das Gatter schloss, rannte er sofort los, aber der Schecke hatte die Hufe in den Boden gestemmt und hinderte ihn am Davonlaufen. Vor Wut stieß der Hengst einen durchdringenden Schrei aus, den die nahen Berge als Echo zurückwarfen.

Grinsend tätschelte Rusty seinem Pferd den Hals, bevor er sich mit einem Satz in den Sattel schwang. „So, mein Junge, dann wollen wir mal sehen, ob du nicht doch mal müde wirst“, knurrte er. Mit einem Zungenschnalzen setzte er den Schecken in Bewegung. Nach einem kurzen Trab verfiel er sofort willig in einen schnellen Galopp. Rusty verlagerte seinen Schwerpunkt nach vorne auf den Widerrist, um ihm mehr Bewegungsfreiheit zu ermöglichen und ihn weniger zu ermüden, dennoch hetzte er ihn durch das unwegsame Gelände und wieder zum Haus zurück, bis das Pferd unter ihm fast zusammenbrach. Dort wechselte er innert Sekunden das Reittier.

Inzwischen zeigte auch der Schwarze erste Ermüdungserscheinungen. Sein schwarzes Fell war noch dunkler geworden und stumpf vor Schweiß, er flockte ein wenig und keuchte. Doch noch immer war er zu wild, um auch nur daran zu denken, ihm den Sattel aufzulegen. Nachdem Rusty ihn eine weitere Stunde herumgehetzt hatte, war er endlich soweit. Er zitterte leicht, flockte und war am ganzen Körper mit weißem Schaum bedeckt. Seine Flanken bebten.

So, mein Junge, jetzt bist du reif“, murmelte Rusty mit einem müden Lächeln und führte ihn bis an die Koppel heran. Die langen Zügel schlang er um den obersten Holmen, damit er ihm nicht davonrannte. Sein Gesicht glänzte ölig vor Schweiß, als er seinem Braunen den Sattel abnahm und ihn dem Schwarzen auflegte, der es sich wider Erwarten mit hängendem Kopf gefallen ließ. Doch als sich Rusty in den Sattel schwang und er das verstärkte Gewicht auf dem Rücken spürte, zeigte er, dass er sich noch längst nicht völlig verausgabt hatte. Er bockte und sprang mit allen Vieren gleichzeitig in die Luft. Seine Bewegungen waren eckig und steif, und es gelang ihm tatsächlich, das Halbblut abzuwerfen.

Parker fing den Sturz in einer Rolle ab, und war eben dabei, sich aufzurappeln, als der Schwarze mit einem wilden, zornigen Wiehern auf ihn losging. Noch bevor er sich aus der Gefahrenzone bringen konnte, grub der Hengst die Zähne in seine Schulter.

Rusty fluchte lauthals und verlor zum ersten Mal in seinem Leben gegenüber einem Pferd die Beherrschung. Er knallte ihm die geballte Faust gegen die Nase. Erschrocken riss der Schwarze den Kopf hoch. „Dir werde ich schon zeigen, wer hier der Boss ist!“, zischte er scharf. Er fasste das Lassoende kurz und peitschte die massige Brust so lange, bis der schwarze Hengst zurückwich. Er warf den Kopf in den Nacken und sah seinen Bezwinger mit wildrollenden Augen hinterhältig an. „Du verfluchter Teufel, du bist gefährlicher als eine Klapperschlange!“ Parker stieß einen enttäuschten Seufzer aus. „Verkaufen kann ich dich so nicht, aber ich werde dich bezwingen, verlass dich drauf!“, knirschte er verdrossen. Er griff nach dem Sattelhorn und saß wieder auf.

Und wieder ging der Tanz von vorne los, diesmal noch toller als zuvor. Blitzschnell passte sich der Reiter den abrupten Bewegungen an. Er kannte jetzt die Taktik des Hengstes und ließ sich trotz seiner Verletzung nicht wieder abwerfen.

Der Schwarze drehte sich wie ein Kreisel, sprang mit allen Vieren in die Luft und versuchte den Kopf zwischen die Beine zu werfen, wurde aber durch die kurzen Zügel behindert, wollte steigen und wurde gewaltsam wieder hinuntergedrückt. Der Schaum troff von seinem Maul, die schwarze Mähne flatterte, sein Körper dampfte, die Nüstern waren gebläht und die Augen unnatürlich geweitet. Er wurde langsamer und zahmer. Nach zähem Ringen gab er schließlich keuchend auf. Er war völlig ausgepumpt und konnte auf seinen zitternden Beinen kaum noch stehen. Trübsinnig ließ er den Kopf hängen.

Das war’s dann wohl, mein Junge“, murmelte Rusty mit einem milden Lächeln erschöpft und tätschelte ihm den klatschnassen Hals. Er sattelte ihn ab und rieb ihn mit einer Decke trocken, dann führte er ihn ein wenig herum, um ihn abzukühlen. Als er merkte, dass es dem Hengst besser ging und er schon wieder auf einen erneuten Angriff gefasst sein musste, brachte er ihn in die Koppel zurück und streifte ihm das Zaumzeug über den Kopf.

Parker war erschöpft und müde, außerdem war er mit sich selbst unzufrieden. Noch nie hatte er so lange gebraucht, um ein Pferd einzubrechen, und noch niemals hatte er mit dem Lasso so unbarmherzig zugeschlagen wie heute. Ihm war klar, dass der Schwarze nie richtig zahm werden würde, obwohl er ihn bezwungen hatte. Vielleicht konnte man ihn an den Sattel gewöhnen, aber er würde immer hinterhältig und unberechenbar bleiben und damit für jeden eine Gefahr darstellen, der sich ihm näherte. Und es war nicht auszuschließen, dass er nicht nur zubeißen, sondern eines Tages auch einen Menschen erschlagen würde.

Wenn ich zurückkomme, lasse ich dich frei, Tornado“, murmelte Rusty und grinste, als der Hengst aufmerksam die Ohren spitzte. „Als wenn du mich verstanden hättest, du wilder Teufel!“ Er bückte sich, um zwischen den Zaunlatten hindurchzuschlüpfen und griff nach seinem roten Baumwollhemd, das neben der Koppel am Boden lag.

Während er zum Haus hinüberging, schüttelte er den Staub aus. Sein Magen knurrte und verlangte energisch nach Nahrung, außerdem fühlte er sich müde und musste sich noch waschen, wenn er morgen die Postkutsche begleiten wollte. Es war nicht klug, alle wissen zu lassen, dass er ein Außenseiter war, und noch dazu ein Halbblut. Er wollte keinen Ärger in der Stadt. Grundsätzlich war Rusty Parker ein friedliebender Mensch, der jeden Streit zu vermeiden versuchte. Wenn ihm aber keine Wahl gelassen und er herausgefordert wurde, wich er keiner Auseinandersetzung aus, wie die unzähligen Narben bewiesen, die seinen hageren Körper bedeckten. Und wenn er gar bekämpft wurde, wallte sein indianisches Blut in ihm hoch, dann war er ganz Indianer, kalt und manchmal auch grausam, aber er tötete nie aus Freude.

Das Innere der Blockhütte war angenehm kühl. Rusty besah sich die Bisswunde im Spiegel, holte eine Salbe aus dem Schrank und bestrich sie damit. Er zog das Hemd wieder an, brühte Kaffee auf und bediente sich von seinen Vorräten, um das bohrende Hungergefühl loszuwerden, das in seinen Eingeweiden wühlte. Gesättigt legte er sich für eine Stunde auf seiner Pritsche nieder und schob sich den grauen Stetson zum Schlafen übers Gesicht.

 

Der Mistkerl ist ein Wucherer!“, erboste sich General Chesters auffahrend. Er schlug mit der Faust auf den Tisch, als ihm Henry Stevens von der Wells & Fargo-Company Parkers Nachrichten überbrachte - zumindest die harmloseren.

Der Unternehmer zog es vor, die Wut des Generals nicht auf sich zu ziehen und die brisanteren Aussagen zu verschweigen.

Chesters Hand mit der Zigarre zitterte vor unterdrückter Wut. Er war ein hochgewachsener, grauhaariger Mann mit Backenbart und einem strengen, fast hochmütigen Gesicht, schmalen Lippen und eisgrauen Augen. Den linken Arm hielt er wie meist auf dem Rücken, den Hut mit den beiden gekreuzten Säbeln und die weißen Handschuhe hatte er sich unter die Achsel geklemmt, während er mit der Rechten, die die Zigarre hielt, unbeherrscht gestikulierend herumfuchtelte.

Stevens nahm verärgert zur Kenntnis, dass er seine Asche dabei auf dem gewachsten Holzboden verstreute. Wohlweislich schwieg er jedoch, weil Chesters trotz seiner Arroganz ein wichtiger Kunde für sein Unternehmen war.

In seinem schwarzen Offiziersrock mit den goldenen Knöpfen und den gelben Streifen an den Seiten der Hose, wanderte er lamentierend im Raum umher.

Stevens zuckte mit versteinertem Gesicht gleichgültig die Achseln, er pokerte: „Wenn Sie ihn wollen? Für das Leben Ihrer geliebten Tochter?“ Die Feststellung klang eher wie eine Frage.

Chesters wusste, dass es für Stevens genauso überlebenswichtig war wie für ihn, dass sie Parker bekamen. Aber Chesters wusste auch, dass der Betrag von ihmerwartet wurde, von ihm als Auftraggeber. Vor Wut biss er sich auf die Zähne, bis sie knirschten. Andererseits...In Stevens Augen lag genau die Frage, die er sich selbst stellte: Wie viel wert ist mir meine Tochter? Wie viel wert ist mir diese Fahrt?Schließlich gab er sich schweratmend einen Ruck, weil es einfach sein musste. Und weil die Postkutsche unbedingt durchkommen musste! Er spuckte einen Priem Tabak in den Spucknapf und nickte. „Einverstanden! Sagen Sie dem Hurensohn, dass er sein Geld kriegen wird!“, geiferte er.

Stevens nickte erleichtert und versuchte ein beruhigendes Lächeln, ehe er dem General die letzte Bedingung stellte: „Morgen, Sir. Bevor wir abfahren. Parker besteht darauf.“

Chesters Nicken wiederholte sich trotz verzerrter Miene und obwohl seine Kiefermuskeln vor unterdrückter Wut zuckten. Dass sich diese Rothaut herausnahm, ihm zu misstrauen, ärgerte ihn über alle Maßen, aber er hatte gar keine andere Wahl, als gute Miene zu machen, es hing einfach viel zuviel davon ab! „Meinetwegen! Soll herkommen und es sich holen!“, knurrte er barsch.

 

Langsam nahm die brütende Mittagshitze wieder ab, als Parker seinen Schecken sattelte und die Leitstute der Herde ans Halfter nahm. Er öffnete das Gatter und ritt hinaus. Wie geplant, folgten ihr die anderen, und als sich ihnen auch der Schwarze anschließen wollte, schloss er rasch das Tor. Ein zorniges Wiehern zerriss die Stille des Nachmittags, doch Parker kümmerte das wenig. Er wendete seinen Hengst und trabte an. Mit der Leitstute umkreiste er einmal die ganze Herde, dann galoppierte er voran davon. Die anderen Tiere folgten blindlings.

Hinter ihnen nahm der Schwarze Anlauf. Er stieg und wirbelte die Hufe durch die Luft, ehe er wie von der Sehne geschnellt losrannte. Seine Fesseln knickten ein und spannten sich, als er sich vom Boden wegkatapultierte. Vor dem hohen Lattenzaun jedoch kapitulierte er. Aus schnellem Tempo steckte er mit allen Vieren ein. Er schleuderte ihnen ein wütendes Wiehern hinterher.

Rusty grinste.

Die wirbelnden Hufe stampften eine riesige Staubwolke aus dem trockenen Boden, der schon viel zu lange keinen Regen mehr gesehen hatte. Verdurstend zehrte er noch von dem wenigen, das ihm von der letzten Regenperiode geblieben war. Das Gelände war teilweise kahl und felsig oder wurde von kurzen, harten Grasbüscheln bedeckt, deren Narben sich nicht weit genug ausbreiten konnten, um einen zusammenhängenden Teppich zu bilden.

Er führte seine wilde Herde über die kleine Ebene, in der sein Heim lag, eingebettet zwischen sanften Hügeln und einem schmalen Canyon, der einstmals Wasser geführt haben mochte. Jetzt war er jedoch ebenso trocken wie das übrige Gebiet ringsum und wurde von Grasbüscheln und nacktbrauner Erde bedeckt, deren oberste Schicht sich schon zu Staub zersetzt hatte. Die Mustangs galoppierten mit gestreckten Leibern dahin. Mähnen und Schweife flatterten wie Fahnen im Wind. Ihre Hufe schienen kaum den Boden zu berühren, so leichtfüßig waren sie. Sie boten ein Bild, das jedem Pferdeliebhaber das Herz höher schlagen ließ. Staub wallte zwischen ihnen hoch.

 

Schon von weitem war die heranpreschende Herde auf Scotties Ranch zu sehen und das Stampfen der Hufe wie Trommelwirbel zu hören. Die Ranch war wesentlich größer als Rustys primitive Blockhütte, die gerade den eigenen Bedürfnissen genügte. Sie bestand aus einem großen Haupthaus mit einem Gesindehaus daneben für die Angestellten, dem Pferdestall, hinter dem der Schuppen angrenzte, wo Getreide und Heu für den Winter aufbewahrt wurde, sowie einem Unterstand für die Wagen und Ackergeräte. Rund um das ganze Gehöft zog sich ein Stacheldrahtzaun, der mit wehenden Stofffetzen markiert war, die wilde Tiere und durchbrennendes Vieh abhalten sollten, um ihnen ein qualvolles Ende möglichst zu ersparen. Neben dem Pferdestall befand sich eine leere Fenz, in die Rusty seine Mustangs treiben konnte.

Kommt raus, Jungs, Parker bringt die Gäule!“, schrie einer der Cowboys und ruderte wie wild mit dem Arm, um seine Kumpels auf sich aufmerksam zu machen. Wie aus dem Nichts rannten plötzlich aus allen Winkeln Männer heran.

John Scott trat aus dem Haupthaus auf die Veranda hinaus. Er war ein stattlicher, großer Mann, breitschultrig und kräftig. Sein schmales Gesicht und die verarbeiteten Hände waren von der Sonne gebräunt und wiesen die ersten Fältchen auf. Scott war Anfang fünfzig, mit braunem Haar, das an den Schläfen zu ergrauen begann, und buschigen Brauen, unter denen graue Augen lagen. Er blickte hinaus in die Richtung, die auch seine Leute anvisierten. Atemberaubend schön war das Bild, das sich ihren Augen bot.

Herrliche Tiere!“, schrie einer und winkte Parker zu, der inzwischen das offene Tor der Umzäunung hinter sich gelassen hatte und im nächsten Moment die heranpreschende Herde in den leeren Korral führte.

Sidney Jackson, ein kraftstrotzender Schwarzer mit treublickenden Augen, schob das Gatter zu, nachdem Rusty die Leitstute freigelassen hatte und wieder aus dem Korral geritten war. Davor stieg er ab und schlang die Zügelenden um den obersten Holmen. Er nickte den Cowboys kurz zu, indem er sich grüßend an den Hutrand tippte, sagte: „Hey“, und ging weiter zur Veranda hinüber.

John Scott trat ihm entgegen und reichte ihm die Hand. „Hallo, Parker. Ich habe Sie noch gar nicht so früh erwartet. Wunderbare Tiere haben Sie da gebracht. Ich wusste, dass ich mich auf Sie verlassen kann. Aber gehen wir hinein, dort redet’s sich’s leichter und es ist nicht so heiß. Mögen Sie einen Whisky?“

Rusty ergriff die dargebotene Hand und grüßte ebenfalls. Der Druck seiner Finger war kräftig und aufrichtig. „Eine gute Idee, Scott. Einen Whisky könnte ich jetzt vertragen“, grinste er.

Die beiden Männer traten ins Haupthaus, während sich die Angestellten wieder zerstreuten.

Das Gebäude war geräumig und praktisch eingerichtet. Die selbstgezimmerten Möbel waren gehobelt und sauber abgeschmirgelt. Vor den blinkenden Fenstern hingen weiße Gardinen. Ohne Zweifel das Werk einer Frau.

Rusty staunte. Früher waren die Scheiben blind und die Rahmen leer gewesen. Staub hatte die Möbel bedeckt, nur der Fußboden war immer sauber gewesen. John Scott war seit fünf Jahren Witwer, und obwohl er Wert auf Äußerlichkeiten legte, hatte er keine Zeit gefunden, sich auch noch um den Haushalt zu kümmern. Einmal im Monat hatte ihm eine Nachbarin sauber gemacht, aber so wie jetzt hatte es nie ausgesehen, so gemütlich und hell.

Neugierig sah sich Parker im großen Wohnzimmer um. Die Sessel waren mit abgewetztem Samt bezogen, auf dem rechteckigen Tisch in der Mitte stand eine Vase mit Blumen, deren Herkunft er sich bei dieser Trockenheit erst recht nicht erklären konnte, und an den holzgetäfelten Wänden waren ein paar Bilder angebracht. „Haben Sie wieder geheiratet, Scott?“, verlieh Parker endlich seinem Erstaunen Ausdruck und sah den Rancher irritiert an.

Dieser lächelte und schüttelte langsam den Kopf. „Keine Spur. Aber meine Enkelin wohnt seit ein paar Wochen da. Sie hat das ganze Haus auf den Kopf gestellt. Ihre Mutter starb vor einem halben Jahr an einer Lungenentzündung und mein Sohn wurde bei einem Banküberfall von Banditen erschossen. Ich bin ihr einziger lebender Verwandter. Sie ist übrigens in die Stadt gefahren, um Einkäufe zu machen. Vielleicht werden Sie ihr begegnen, wenn Sie nach Hause reiten, wofern sie nicht schon früher zurückkommt. Ein reizendes Mädchen, sage ich Ihnen, hübsch und fleißig. Das wäre eine Frau für Sie, Parker.“

Rusty erwiderte das Lächeln. John war voller Bewunderung für seine Enkelin, und das war gut so. Er brauchte jemanden, der sich um ihn kümmerte, wenn es ihm mal schlecht ging. Auf einen Schlag wurde seine Miene aber wieder ernst. Ohne Bedauern sagte er: „Aber ich kein Mann für sie. Nein, ich bleibe lieber bei meinen Pferden. Eine weiße Frau zu heiraten, ist für eine Rothaut nicht besonders klug. Es würde nur Ärger geben.“

Ach was, die Leute würden sich schon daran gewöhnen!“ Scott winkte großmütig ab. Er mochte den jungen Mann, der fleißig war und sich von Kindesbeinen an seine eigene Existenz aufgebaut hatte. Das war mehr, als man von manchem weißen Gecken sagen konnte. „Außerdem sehen Sie nun wirklich kaum wie eine Rothaut aus“, schränkte er ein. „Ich bin sicher, Sie würden Marie gefallen.“

Parker zuckte die Achseln. „Ich weiß, dass ich wenig von meiner Mutter geerbt habe, trotzdem fließt Indianerblut in meinen Adern. Auch wenn ich es wollte, ableugnen könnte ich das nie. Im Übrigen liegt mir das Lügen nicht. Und ich will Ihre Marie nicht unglücklich machen, dafür sind Sie mir ein zu guter Freund.“

Scott lächelte und deutete auf einen Sessel. „Setzen Sie sich, Parker. Sie müssen wissen, ich bin sehr stolz auf meine Enkelin. Mir liegt nichts so sehr am Herzen, als dass sie glücklich ist. Bei Ihnen wäre sie in guten Händen, das weiß ich. - Na ja, reden wir eben übers Geschäft. Es sind herrliche Tiere, die Sie mir da gebracht haben.“

Rusty nickte. Er war heilfroh über die geänderte Richtung des Gesprächs. Wenn es um Pferde ging, dann war er in seinem Element. „Ja, stimmt. Ich habe diesmal eine besonders schöne Herde erwischt. Der Leithengst muss ein halber Araber gewesen sein. Ein wundervolles Tier.“

So, wie ich Sie kenne, haben Sie ihn laufen lassen?“, grinste Scott, und es klang eher wie eine nüchterne Feststellung als eine Frage.

Parker nickte wieder. Während der Rancher zum Schrank hinüberging und eine Flasche und zwei Gläser herausnahm, sagte er: „Ja. Ich werde mir nächstes Jahr die diesjährigen Fohlen holen. Es sind leider nur neunzehn, die ich Ihnen bringen konnte, Scott. Ich hatte einen schwarzen Hengst, einen Teufel von einem Pferd, sage ich Ihnen. Der hat Dynamit in den Knochen. Er hätte Ihnen bestimmt gefallen. Ein herrliches Tier, genau wie sein Vater, aber unberechenbar. Er hat mich abgeworfen wie einen Anfänger und griff mich an. Hier an der Schulter hat er mich erwischt.“ Rusty zeigte auf die Stelle unter seinem Hemd. „Ich habe ihn solange herumgehetzt, bis ich ihn reiten konnte. Er musste kapitulieren, aber ich befürchte, er wäre immer hinterhältig und gefährlich, deshalb lasse ich ihn besser wieder frei, wenn ich nach Hause komme.“

Das Tier möchte ich sehen, dem es gelungen ist, Sie abzuwerfen“, grinste Scott, der inzwischen eingeschenkt hatte, und schlug dem jungen Mann freundschaftlich auf die gesunde Schulter. „Also, 19 Stück sind es. Ich werde Ihnen trotzdem den vereinbarten Preis zahlen, wenn Sie mir dafür die Fohlen vom nächsten Jahr versprechen. Und weil sie so schön sind. Ich nehme doch an, dass Sie damit einverstanden sind?“

Rusty nickte und verzog das gebräunte Gesicht zu einem Grinsen. „Ich wüsste nicht, was ich dagegen einzuwenden haben sollte, danke, Scott“, antwortete er und hob das randvolle Glas.

Na dann, prost.“ Die beiden Männer stießen an und ließen ihre Gläser aneinander klingen. Sie tranken rasch aus. Nachdem John frisch aufgefüllt hatte, erhob er sich, stellte die Flasche in den Schrank zurück und entnahm einer kleinen Metallkassette ein Bündel Geldscheine, von denen er die vereinbarte Summe abzählte und sie Parker zuschob.

Dieser steckte sie zufrieden in die Hemdbrust und leerte danach das zweite Glas. „Das war ein gutes Geschäft“, sagte er und stand auf.

Der Rancher nickte und folgte seinem Beispiel. Er begleitete Parker bis hinaus auf die Veranda, wo sie sich die Hände reichten und voneinander verabschiedeten.

Der Schecke begrüßte Rusty mit einem freudigen Schnauben, als er zu ihm an die Fenz trat. Er löste die Zügel vom Balken, saß auf und trabte an. Nach einem kurzen Winken gab er dem Hengst den Kopf frei und galoppierte davon.

Er ritt denselben Weg zurück, den er gekommen war, und erreichte kurz vor Sonnenuntergang sein Haus, ohne Marie begegnet zu sein. Der östliche Himmel färbte sich dunkel, am westlichen Horizont flammte er orangerot auf. Die davorliegenden Hügel schienen in einem Flammenmeer zu verbrennen und hoben sich wie schwarze Kohle dagegen ab.

Rusty sattelte den Hengst ab und wuchtete den Sattel über die oberste Querstange, ehe er ihn in den Korral brachte. „So, und nun komm raus, du schwarzer Teufel!“, murmelte er und ließ das Gatter offen.

Der Schwarze sah ihn aufsässig an. Mit leicht gespreizten Beinen stand er da, regungslos wie eine Statue, den edlen kleinen Kopf stolz in die Luft gereckt, die Nüstern gebläht. Der Abendwind fuhr in seine Mähnen- und Schweifhaare und wehte sie zur Seite.

Rusty stand am offenen Tor und wartete geduldig.

Plötzlich rannte der Hengst los und floh an ihm vorbei aus dem Korral. Als ihm der Geruch der Freiheit wieder um die Nase wehte, vergaß er den Mann am Zaun, der hinter ihm das Gatter schloss. Er stob nach Westen davon, mit flatternder Mähne und wehendem Schweif, hinein in die flammende Glut der ersterbenden Sonne.

Rusty sah ihm lächelnd nach. Es war gut, dass dieser kraftstrotzende, herrliche Hengst wieder frei war. Er würde sicher bald eigene Stuten um sich scharen und wunderbare Fohlen zeugen, die ihrem Vater nachschlagen würden - aber hoffentlich nicht so hinterhältig waren. Aber es war auch gut, dass er einmal in seinem Leben die Menschen kennengelernt hatte. Von nun an würde er ihren Geruch kennen, sie zu meiden versuchen und stets wachsam sein.

Rusty holte Hafer aus dem Futterraum und brachte dem Schecken Wasser, dann begab er sich ins Haus und machte sich das Abendbrot zurecht. Später badete er sich draußen hinter dem Haus in einem großen Bottich, um am nächsten Morgen wenigstens einigermaßen zivilisiert zu sein.

 

Kurz nach Sonnenaufgang war er schon wieder auf den Beinen. Er versorgte sein Pferd, dann sich selbst, strich wieder Salbe über die Bisswunde und schlüpfte in frische Kleider. Sein Hemd war ockerfarben, die Hose dunkelbraun. Von seinem grauen Stetson trennte er sich freilich nicht, weil er keinen zweiten besaß. Er holte eine rehfarbene Lederjacke aus dem Schrank, machte sich Proviant und Wasser für unterwegs zurecht, überprüfte seine Munition und schnallte sich den Revolvergürtel um die Hüften. Es war ein langläufiger Colt mit schwerem Kaliber, den er normalerweise nicht trug, weil er ihn sonst bei der Arbeit behinderte. Er schob ein scharfes Messer in den Stiefelschaft, ein zweites steckte er in seinen Gürtel, dann holte er seine, mit silbernen Nägeln beschlagene Winchester von der Wand herunter. Die alten Patronen wechselte er durch neue aus.

Etwas später ging er hinüber zur Koppel, wo er den Schecken sattelte und ihm Decke und Proviant auflud. Die Winchester steckte er in den Sattelschuh neben seinem rechten Knie, die Wasserflasche hängte er ans Sattelhorn. Er drückte sich den Hut tiefer in die Stirn, um die Augen vor der grellen Sonne zu schützen, und saß auf. Mit der Sonne im Rücken ritt er auf der kleinen Ebene nach Westen und folgte einem Pfad über die Hügelkette.

Vom Kamm aus konnte er die Stadt schon erkennen, deren ungeordnet dastehende Häuser hastig aufgestellten Bienenkörben glichen. Cooper bestand aus ein- und zweistöckigen Häusern, einer Bank, Hotels und Saloons und neben verschiedenen Geschäften, dem Sheriff-Office, der Poststation, zudem einer Sägerei und einer Schmiede.

Parker schnalzte mit der Zunge und der Hengst setzte sich in Bewegung. Er lenkte ihn den Hügel hinunter in die Stadt. Gemächlich ritt er den Häusern der Main Street entlang auf das Postkutschenunternehmen der Wells & Fargo-Company zu.

Über dem Gebäudeeingang hing ein breites Holzschild mit dem eingebrannten Namensschriftzug. Vor der Station brachte er den Schecken zum Stehen und schwang sich aus dem Sattel.

 

Aus dem großen Dienstzimmer im Obergeschoss wurde seine Ankunft mit verkniffenen Augen und gemischten Gefühlen beobachtet.

General Chesters presste die schmalen Lippen verärgert zu einem dünnen Strich zusammen, derweil er hochmütig hinunter auf die Straße blickte. Er hatte die Arme auf dem Rücken verschränkt und wippte vor dem Fenster unruhig ein paar Mal auf und ab. Seinen Hut mit den beiden gekreuzten Säbeln unter dem Emblem hatte er umgedreht auf die Tischplatte gestellt und die weißen Handschuhe hineingelegt. „Das ist der Mann, Amanda“, erklärte er der jungen Frau neben sich mit mürrisch klingender Stimme, ohne den Blick von Parker zu nehmen.

Dieser stieg eben elegant vom Pferd undschlang die Zügelenden um den Hitchrack, bevor erunter ihnen das Gebäude betrat.

Was?“ Mit gekrauster Stirn warf Amanda Chesters ihrem Vater angewidert einen pikierten Blick zu. „Diesem Wilden willst du mich anvertrauen, Pa?“

Parker trat indessen in den großen Vorraum, in dem es mehrere Bänke und einen Schalter gab, hinter dem sich Stevens erhob und mit ausgestreckten Armen auf ihn zueilte. Dem Unternehmer fiel ein Stein vom Herzen, dass er da war.

Die beiden reichten sich zur Begrüßung die Hände. „Gott, bin ich froh, Sie zu sehen, Parker! Ich habe ja gewusst, dass ich mich auf Sie verlassen kann!“, lärmte er viel zu laut vor Erleichterung.

Rusty grinste freudlos. „Wenn 4 000 Dollar winken, kann man schon mal was riskieren“, meinte er, wurde aber wieder ernst, als Stevens niedergeschlagen mitteilte: „Es ist nicht sicher, ob der General die verlangte Summe zahlt. Er wollte sich gestern noch nicht festlegen, sagte, er wolle Sie erst sehen. Geben Sie sich etwas Mühe, ihm zu gefallen.“

Das Halbblut schüttelte verächtlich den Kopf. „Wozu denn? Ich werde ihm ins Gesicht sagen, was ich von dieser wahnwitzigen Idee halte! Es ist seine Sache, ob er mich will oder nicht, mir ist das scheißegal! Um diesen halsbrecherischen Job reiße ich mich bestimmt nicht. Es ist brutal gefährlich, jetzt durch feindliches Comanchengebiet zu reisen, selbst wenn ich dabei bin. Dessen ist er sich wohl gar nicht bewusst, dass ich keine Lebensversicherung bin!“

Es erhöht aber wenigstens eure Überlebenschancen.“

Ein schwacher Trost. Ja, vielleicht, aber möglicherweise krepieren wir alle! - Wo ist er?“

Stevens deutete mit dem Kinn gegen die Decke: „Oben, und seine Tochter ist bei ihm. Also bitte, werden Sie ums Himmels Willen nicht vulgär! Wenn der General etwas nicht verträgt, dann ist es, wenn man seine Tochter beleidigt!“

Rusty lächelte verächtlich durch die Nase. Er sah, dass Stevens um Fassung rang und wollte ihn nicht noch mehr aufregen. Wenn es nötig ist, werde ich auch mit der Lady Klartext reden!, dachte er, aber er nickte nur und ging durch den Raum auf die Treppe zu.

 

Amanda Chesters Stimme klang grell, als sie sich gegen den Willen ihres Vaters sträubte, der sie diesem unzivilisierten Wilden anvertrauen wollte.

Der General zuckte auf ihren entsetzten Ausbruch hin nur die Achseln. Er setzte ein aufmunterndes Lächeln auf, als er entgegnete: „Wenn alles stimmt, was Stevens erzählt hat, dann ist er einer der Besten diesseits des Mississippi.“

Die junge Frau schüttelte aufsässig den Kopf. „Mir gefällt er nicht, Papa! Dieser Wilde ist mir unheimlich!“, beklagte sie sich mit vorgeschobener Unterlippe schmollend.

Mit den Händen bekräftigend, dass es ihm leid tat, stieß Chesters einen tiefen Seufzer aus. „Mir gefällt er auch nicht, Kind. Aber wir brauchen ihn, wenn ihr lebend nach Gainesville kommen wollt. Also beruhige dich, er wird ja nicht in deine Nähe kommen. Der Mann hat sich ausschließlich um seinen Job und deine Sicherheit zu kümmern, alles andere geht ihn nichts an. Und für den Fall, dass er doch aufdringlich werden sollte, was nicht zu erwarten ist, wäre Garreth ja auch noch da.“

Daraufhin schwieg sie missmutig, zumal von unten her das Knarzen der alten Holzstufen und schwere Schritte auf der Treppe erklangen.

Der General bedachte seine Tochter mit einem langen Blick, mit dem er hoffte, dass sie seine Warnung verstand und sich irgendwelcher Äußerungen enthielt, die Parker veranlassen konnten, den Auftrag abzulehnen. Die Fahrt war einfach zu wichtig, als dass er sich das hätte leisten können.

Rusty stieg allein die Treppe ins Obergeschoss hinauf. Er war schon öfter hier oben gewesen, so dass er Stevens Begleitung nicht benötigte. Dieser war ohnehin heilfroh, unten bleiben zu können, um Chesters zu erwartender Aggression fürs erste aus dem Weg zu gehen und Parkers bevorstehenden Rausschmiss nicht miterleben zu müssen. Er kannte den jungen Mann gut genug, um zu wissen, dass er mit dem General gleich aneinandergeraten würde. Parker war es gewohnt, seine Gedanken laut auszusprechen und nahm nie ein Blatt vor den Mund.

Dieser wandte sich im Obergeschoss nach links und trat ohne vorheriges Anklopfen ins Dienstzimmer ein. Die Türe klappte mit einem dumpfen Knall gegen die Innenwand.

Amanda Chesters erschrak sich und zuckte zusammen, obwohl sie den Ankömmling erwartet hatten. Aber nicht, dass er gleich mit der Türe ins Haus fiel.

Das Halbblut stand nur einen winzigen Moment mit leicht gespreizten Beinen im Türrahmen. Mit einer Dreistigkeit, die ihresgleichen suchte, trat Parker unaufgefordert ein.

Der jungen Frau blieb für einen Moment die Luft weg. Mit all den Narben, die seine harten Züge entstellten, war er für sie ein durchweg hässlicher Mann. Er hatte die Lippen fest zusammengepresst, seine dunklen Augen schienen sie wie zwei glühende Kohlestücke zu durchbohren, als er sie geringschätzig, aber mit einer Aufmerksamkeit musterte, wie man das höchstens auf dem Markt mit dem Vieh tat.

Ungeniert ließ Parker seine Augen dreist über ihre Gestalt wandern. General Chesters erwachsene Tochter war um einen guten Kopf kleiner als ihr Vater, der mit seinem zurechtgestutzten, silbergrauen Backenbart und dem gezwirbelten Schnauzer einen etwas gelackten Eindruck auf ihn machte. Sie war schlank und mit kleinen Brüsten. Ihr blondes Haar trug sie im Nacken zu einem Knoten geschlungen. Es hatte die Farbe von reifem Weizen. Die leicht schräggestellten Augen leuchteten in einem intensiven Blau und kontrastierten stark mit ihrer blassen Haut, die schon fast krankhaft wirkte. Sie trug ein enggeschnürtes, mausgraues Reisekleid mit einem rosa gefärbten, weiten Rock und langen Ärmeln.

Wahrscheinlich, um sich vor zuviel Sonnenbestrahlung zu schützen,mokierte er sich mit einem spöttischen Grinsen.

Wie es die Sitte verlangte, war es hochgeschlossen bis zum Hals.

Ich bin Rusty Parker“, stellte er sich vor. „Sie wollten mich sehen, General. Ich bin hier.“

General Chesters nickte. Mit verkniffener Miene nahm er missbilligend zur Kenntnis, dass Parker keine Anstalten machte, zumindest seine Tochter zu grüßen, wenn er sich bei ihm schon die Frechheit herausnahm. Der Anstand dieses Wilden ließ wirklich zu wünschen übrig! Er nahm noch nicht einmal wenigstens den Hut ab! Chesters eisgraue Augen musterten ihn geringschätzig, ehe sein Blick zurück auf seine Tochter fiel.

Amanda hatte ihre Lippen geschürzt, das Kinn hochgeworfen und ließ Parker ihre Verachtung spüren.

Das sehe ich! Sie sind unhöflich einer Frau gegenüber!“, knurrte Chesters tadelnd.

Um Rustys Mundwinkel spielte ein falsches Lächeln. Er wich seinem Blick nicht aus. Hochaufgerichtet stand er mit dem Stolz des Apachen vor ihnen. „Wollen Sie einen Beschützer für Ihre Tochter haben oder einen Speichellecker?“

Er fragte es ruhig, ohne den Blick von dem Mann zu nehmen, dessen Gesichtsmuskeln verärgert zuckten, doch Chesters war sich bewusst, dass er ihn nicht erzürnen durfte, wenn er erwartete, dass er den gefährlichen Auftrag übernahm. Er schluckte seine harsche Entgegnung hinunter und schwieg.

Dass er dem Wilden nicht die Stirn bot, wie es für gewöhnlich seine Art war, brachte seine Tochter auf die Palme. Ihre Stimme klang schrill, als sie angriffslustig die Fäuste in die Hüften gestützt, einen Schritt vortrat. „Sie nehmen sich ziemlich viel heraus, Sie...!“ Auf den giftigen Blick ihres Vaters hin blieb der jungen Frau jedoch das Schimpfwort, das sie ihm angedacht hatte, im Hals stecken. Mit hochmütiger Miene nahm sie sich zurück und schwieg verdrossen.

Parker nahm mit Genugtuung zur Kenntnis, dass sein Hieb gesessen hatte. Grinsend zog er seinen Stetson und deutete eine steife Verbeugung an, die jetzt im Nachhinein eher spöttisch als ehrlich wirkte.

Amanda nickte ihm herablassend zu. „Sind Sie überhaupt so gut, wie Stevens behauptet?“, fragte sie beleidigend.

Rusty bedachte sie mit einem kurzen Blick. Sie fröstelte unter seinen Eisaugen. „Wenn er es sagt! Wir kamen bisher immer lebend zurück!“

General Chesters schluckte, es kostete ihn Mühe, sich gegenüber diesem Wilden zu beherrschen, der seine Autorität untergrub. „Dann machen Sie also den Job?“, erkundigte er sich. Seine Stimme kratzte vor Ärger.

Diesmal empfand Parker den Blick als lauernd, den er ihm zuwarf, und er fragte sich weshalb. Er besaß ein Gespür für feine Zwischentöne, und das hier machte ihn stutzig, aber er tat so, als wäre ihm nichts aufgefallen. Er wollte mit Chesters unter vier Augen darüber sprechen. Er nickte. Seine Miene war todernst, als er seine Bedingungen wiederholte: „Vorausgesetzt, Sie zahlen die 4 000 Dollar sofort. Und ich will mit Ihnen allein sprechen! Ohne Ihre Tochter!“

Deren kleine Gestalt schien vor Wut auf ihn zu wachsen. Parker nahm es mit Befriedigung zur Kenntnis, dass er sie zur Weißglut brachte.

Ich wüsste nicht, was wir anderes zu besprechen hätten, Parker! Es ist alles gesagt, was nötig ist!“, wies ihn der General hochfahrend ab, aber er schüttelte den Kopf.

Mit hartnäckiger Bestimmtheit erklärte er: „Dieser Meinung bin ich nicht! Entweder nehmen Sie meine Bedingungen an, wenn Sie mich wollen, oder Sie können es vergessen, General!“

Grollend gab dieser schließlich nach. Mit zuckenden Kiefermuskeln nickte er. Seine Tochter zitterte sichtlich vor Wut, als er sie knurrend darum bat: „Geh bitte hinaus, Amanda. Ich bin sicher, es wird nicht lange dauern.“ Er lächelte entschuldigend, als ihre Augen empört über sein Nachgeben Funken sprühten.

Hochmütig warf sie den Kopf in den Nacken und rauschte mit einem an Parker gerichteten, abwertenden Laut aus dem Dienstzimmer. Mit einem Knall fiel die Türe hinter ihr zu, dass der Staub aus den Ritzen rieselte.

Rusty ging ein paar Schritte durch den Raum. Die Absätze seiner Stiefel dröhnten auf den Holzriemen.

Im Untergeschoss warf Henry Stevens einen bettelnden Blick zur Decke hinauf, weil er es mit Miss Amanda bereits verscherzt hatte. Er flehte inbrünstig darum, dass sich Parker den Job nicht gänzlich verderben würde, der für sein Geschäft und Personal überlebenswichtig war.

Oben schob Parker Chesters Hut mit den Fingerlingen zur Seite. Er setzte sich auf die Schreibtischkante und ließ die Beine hinunterbaumeln, ohne das missbilligende Hochziehen von Chesters Augenbrauen zu beachten. Stattdessen sah er sich im Zimmer um, als wäre er gar nicht vorhanden.

Es sah noch genauso aus wie beim letzten Mal: da standen der Schreibtisch und Stevens dazugehöriger Chefsessel. In seinem Rücken befanden sich zwei große, mit Stegen unterteilte Fenster. An den Wänden hingen Karten des Distrikts, soweit dieser kartographiert worden war, und darauf waren die Routen der Kutschfahrten eingetragen, die die Wells & Fargo-Company in dieser Gegend anbot. Zu seiner Linken stand eine Kommode, auf der eine Schüssel mit einem Wasserkrug abgestellt war, ihm gegenüber an der Wand ein Schrank, in dem, wie er wusste, sich weitere Karten und Unterlagen von Stevens Unternehmen befanden, die er jeweils der Steuerbehörde vorlegen musste. Außer Stevens Chefsessel gab es keine weiteren Stühle. Der Fußboden bestand aus nackten Bretterbohlen.

Nachdem Amanda Chesters hinausgerauscht war und sich die Türe hinter ihr etwas zu geräuschvoll geschlossen hatte, wandte Parker seine Aufmerksamkeit endlich dem General zu, der ungeduldig, die Hände abweisend vor der Brust verschränkt, auf den Absätzen auf und abwippte. Parkers Blick fixierte die harten Züge, die von dem grauen Bart nur wenig gemildert wurden. Chesters hatte die Lippen vor Ärger so fest aufeinander gepresst, dass sie nur noch wie eine weiße Linie aussahen.

Parker blickte ihm herausfordernd ins Gesicht, als er geradeheraus sagte: „Sie scheinen Ihrer Tochter nicht ausgesprochen große Gefühle entgegenzubringen, General!“

Dieser schien zu wachsen, als er sich streckte und in die Höhe fuhr. Wütende Runzeln überzogen seine Stirn, das Blut schoss ihm in den Kopf und die Adern an seinem Hals und der Schläfe schwollen zu dicken, blauen Strängen an. Seine Gesichtsmuskeln zuckten. Er starrte Parker mit verdrossen funkelnden Augen an, während sich sein Mund vor Empörung öffnete und er die Luft einsaugte, die ihm plötzlich zum Reklamieren fehlte. „Was erlauben Sie sich, Parker?“, fuhr er diesen danach unbeherrscht an. „Natürlich liebe ich meine Tochter!“ Er schrie es fast, als ob er wollte, dass sie ihn hörte. Der General war so aufgebracht, dass er förmlich am ganzen Leib zitterte. Wiederum wippte er ein paar Mal auf den Zehenspitzen auf und ab, ein Zeichen seiner Nervosität.

Rusty ließ sich von seinem Ausbruch nicht aus der Ruhe bringen. Er saß auf der Tischplatte und hielt sich aus Bequemlichkeit mit den Händen an der Kante fest, während er mit den Beinen schaukelte. „Warum hauen Sie Ihrer Tochter dann nicht ein paar auf die Schnauze und machen ihr energisch klar, dass sie hierbleiben muss, wie es ein liebender Vater tun würde, General?“

Diesem blieb vor Sprachlosigkeit glatt die Luft weg.

Wenn Sie Ihre Tochter wirklich lieben würden, ließen Sie sie nicht auf eine so gefährliche Reise gehen, und das ausgerechnet jetzt, wo Ihnen das Militär keinen Geleitschutz stellen kann!“

Chesters Augen blitzten, so aufgebracht war er. Am liebsten hätte er den arroganten Bastard mit einem Tritt in den Arsch zum Mond befördert,oder mindestens hinunter in den Staub der Straße, wo er hingehörte! Aber das Ärgerliche war, dass er ohne ihn nicht auskam! Mit Mühe würgte er seine Aggressionen hinunter und versuchte es mit Diplomatie. Seine Fracht und letztlich die zeitliche Lieferung waren zu wichtig, als dass sie aufgeschoben werden konnten! „Sie drücken sich nicht gerade sehr gewählt aus, Mister!“, knurrte er unleidlich, wobei er das Misterderart betonte, dass Parker es als Schimpfwort auffassen musste.

Doch dieser zuckte mit einem geringschätzigen Nicken die Achseln. „Wie ich schon sagte, ich bin kein Speichellecker. Ich bin ein Mann der Wildnis, deshalb wollten Sie mich haben, und das ist meine Sprache. Wenn Ihnen das nicht gefällt, müssen Sie mich nicht nehmen. Ich habe es nicht nötig, mich gewählt auszudrücken, ich sage geradeheraus, was ich denke. Das ist meine Art, und deshalb lebe ich noch, weil ich mich nicht auf Dinge einlasse, die nicht glasklar sind! Und Ihre Beweggründe sind mir nicht klar, General! Ich weiß, dass Sie vor mir etwas zu verheimlichen versuchen, also sagen Sie mir, was ist es!“

General Chesters Gesicht lief hochrot an, an seinen Schläfen traten die Venenstränge wieder sichtbar blau hervor, die durch seine unterdrückte Wut gestaut wurden.

Rusty sah, wie sich seine Finger zu Fäusten ballten, was ihm die Gewissheit verschaffte, dass ihn sein Gefühl nicht getrogen hatte. Da er nicht wusste, wie nahe er daran war, ihm die Wahrheit zu sagen, versuchte er an sein Gewissen zu appellieren: „Sie wissen, dass es Selbstmord ist, was Ihre Tochter vor hat! Sie wissen, dass sie hier besser aufgehoben wäre als unterwegs! - Ich bin nicht auf Ihren Job angewiesen, General Chesters. Wenn es Ihnen nicht gefällt, wie ich rede, suchen Sie sich einen anderen! Verlieren werden Sie so oder so etwas: entweder Ihr Geld oder Ihre Tochter! Vielleicht auch beides zusammen!“

Chesters warf ihm schweratmend einen wütenden Blick zu. Plötzlich brach er sichtlich ein, als er resignierte. „Mit anderen Worten, Sie geben zu, dass es auch mit Ihnen nicht sicher ist, dass sie durchkommen werden, verstehe ich das richtig?“

Ja natürlich. Ich will Ihnen nichts vormachen, General, ich bin auch nur ein Mensch“, gab Parker zu, „aber ich werde alles in meiner Macht Stehende daran setzen, damit es nicht soweit kommt. Versprechen kann ich Ihnen allerdings nichts. Ich kann Ihnen nur dringend raten, Ihre Tochter hierzubehalten und die Fahrt zu verschieben, bis General Carson eine Schwadron Soldaten entbehren kann!“

Amanda kam nicht umhin, das laute Gespräch draußen auf dem Korridor mit anzuhören. Sie hasste und verachtete diesen ungehobelten Kerl, der es wagte, so mit ihrem Vater zu sprechen und mit ihr umzuspringen. Aber je länger Parker mit ihm zankte, desto mehr runzelte sich ihre Stirn.

Auf Parkers Warnung schüttelte der General rasch den Kopf, seine Antwort folgte hastig: „Auf gar keinen Fall! Es war ihr Wunsch, zurück zu ihrer Mutter nach Gainesville zu fahren! Den kann ich ihr doch nicht einfach abschlagen!“

Natürlich nicht.“ Rusty nickte scheinbar verständnisvoll, bevor er zu voller Fahrt auflief: „Genauso wenig, wie Sie ihr sonst wohl nie etwas unterbunden oder verboten haben! Darum ist sie ja auch so hochnäsig und verzogen! Sie mag mich nicht, aber ich sie auch nicht! Eine Frau, die rücksichtslos andere Menschen und sich selbst in Gefahr bringt, kann ich nicht akzeptieren!“

Meine Tochter bringt niemanden in Gefahr!“, fuhr Chesters mit erhobenen Fäusten empört donnernd einen Schritt auf ihn los, ehe er seine Emotionen wieder unter Kontrolle bringen konnte.

Ach nein?“, fragte Parker hochmütig. Dass er die klangliche Betonung von diesem Neinin die Höhe zog, deutete darauf hin, für wie fragwürdig er Chesters Antwort hielt. „Dann erklären Sie mir doch den wahren Grund, warum Sie darauf bestehen, dass sie fährt!“ Seine Stimme klang messerscharf, als er sich von der Tischplatte abstieß und aufstand. Es war ihm egal, dass er dabei achtlos den Hut und die weißen Handschuhe des Generals auf den Boden fegte.

Dessen Gesicht verfärbte sich beinahe ins Violette, er sah aus, als würde er demnächst platzen. Die dicken, vorstehenden, blauen Adern an Hals und Schläfen sahen aus wie Geschwüre.

Rusty wartete gar keine Antwort ab, sondern baute sich dicht vor ihm auf, als er unbarmherzig fortfuhr: „Die Bitte Ihrer Tochter kam Ihnen doch sehr gelegen, als sie Sie bat, nach Gainesville zu fahren, nicht wahr? Als liebender Vater hätten Sie sie auf die Gefahren aufmerksam machen müssen! Was Sie ja wohl eher nicht getan haben, General, oder? Also sagen Sie mir endlich, was dahinter steckt! Was ist Ihnen so viel wert, dass Sie das Leben Ihres Kindes riskieren?“

General Chesters schüttelte schluckend den Kopf. Er erstickte fast an seiner Wut, dass ihn die Rothaut mit seinen Verdächtigungen derart in die Enge trieb. „Nichts!“, antwortete er scharf.

Für Parker klang die Antwort viel zu wenig überzeugend. Stevens hatte am Vortag zu ihm gesagt, dass sich Chesters wie ein Bullterrier in etwas verbeißen konnte; dasselbe galt auch für ihn. Wenn er erst einmal Lunte gerochen hatte, gab er nicht eher nach, als bis er bekam, was er erwartete. „Machen Sie mir nichts vor, alter Mann! Ich weiß, dass Sie mir etwas verheimlichen und ich will wissen was! Geben Sie mir eine Antwort, die mich zufrieden stellt! Was ist Ihnen so viel wert? Wenn ich diesen verdammten Job übernehmen soll, dann will ich über alles informiert sein! Also?“

Hinter der Türe begann Amanda Chesters heftiger zu atmen, weil sie ihren Vater bedauerte, wie er von diesem Wilden attackiert wurde. Am liebsten wäre sie dazwischengegangen, aber das wäre ein Eklat für ihren Vater gewesen. Stattdessen presste sie die Hand aufs Herz und die andere auf den Mund, um zu verhindern, dass sie sich durch entschlüpfte Laute bemerkbar machte und die Männer sie beim Lauschen erwischten.

Schweratmend starrte Chesters zu Boden, währenddem er seine Lage noch einmal überdachte. Tief aufseufzend lenkte er schließlich ein. „Zwei Millionen Dollar - in Gold“, gab er missmutig zu.

Amanda blieb vor ungläubigem Staunen der Mund offen stehen. Im ersten Moment glaubte sie sich verhört zu haben.

...der Sold für unsere Soldaten und um neue Truppen anzuwerben! General Carson braucht das Geld, um Männer anzuheuern, die uns im Kampf gegen Red Fox beistehen!“, fuhr Chesters erklärend fort.

Als er weitersprach, konnte Amanda nicht mehr länger an sich halten, ohne ihn wissen zu lassen, dass sie es mit angehört hatte. Sie musste jetzt einfach Dampf ablassen. Energisch stieß sie die Türe auf. „Aber, Papa!“, entfuhr es ihr entgeistert.

Dieser schluckte etwas mühsam und versuchte sich mit einem Schulterzucken zu entschuldigen: „Ich dachte, wenn du schon verreisen willst, könnte ich es dir genauso gut mitgeben, weil es weitaus unauffälliger wäre, wenn Passagiere mitfahren.“

Für seine Tochter schien die Erklärung wohl plausibel. Parker sah, wie sich ihre erzürnte Miene erleichtert legte. Er hingegen fühlte sich zutiefst betrogen. So etwas in der Art hatte er sich vorgestellt, weil kein normaler, liebender Vater sein Kind wegen dessen hirnrissiger Idee in den Tod schickte! „Das ist es also! Und dafür opfern Sie ausgerechnet Ihre Tochter?“ Er spuckte die Worte angewidert aus wie ein Stück heiße Kartoffel.

Ich bezahle Sie ja dafür, dass Sie sie heil durchbringen!“, fauchte Chesters wild. Er war wütend darüber, dass die Rothaut die Wahrheit im Beisein seiner Tochter aus ihm herausgequetscht hatte. Parker hätte gar nichts darüber wissen dürfen, weil er befürchtete, dieser könnte das Gold an sich nehmen und damit verschwinden.

Rusty lehnte sich fassungslos zurück und warf ihm kopfschüttelnd einen ernsten Blick zu. „Zwei Millionen Dollar! Das ist ein Haufen Geld!“ Plötzlich überzog ein ironisches Grinsen sein Gesicht, er lachte schnaubend durch die Nase. „Jetzt weiß ich natürlich schon, weshalb Sie mir das zu verheimlichen versuchten! Für Sie ist wohl jede Rothaut ein Dieb, nicht wahr? Wenn ich damit verschwinden würde, hätte ich mein Leben lang ausgesorgt!“, zischte er spöttisch, um dann ohne Chesters Antwort abzuwarten hinzuzufügen: „Aber können Sie sich vorstellen, was passiert, wenn es Red Fox in die Hände fällt? Dann wird der rote Bastard seinen heiligen Krieg gegen euch Weiße gewinnen!“

Chesters hob beschwichtigend die Hände, mit einem abgrundtiefen Seufzer nickte er. „Ja natürlich dachte ich an so was! Aber ich traue Ihnen nicht! Bei einem so hohen Betrag wäre jedermann dazu fähig!“

Parker lächelte nachsichtig. „Da haben Sie recht. - Fragen Sie Stevens, der weiß, dass ich zu meinem Wort stehe, General. Alles, was sich in und um die Kutsche befindet, untersteht meinem Befehl und meinem Schutz! Also auch das Gold! Wenn wir durchkommen, werde ich es dort abliefern, wo es hinkommen soll! - Wer außer uns weiß noch davon?“

Chesters schüttelte zu Parkers Erleichterung den Kopf. „Niemand. Außer zwei meiner Soldaten, aber auf die ist Verlass, da lege ich meine Hände ins Feuer, dass von denen keiner etwas erfährt. Sie werden auch nicht unter den Männern sein, die Sie begleiten werden“, erklärte er, in der Hoffnung, ihn damit zu beruhigen.

Falsch!“ Diesmal war es Parker, der den Kopf schüttelte. „Ich will, dass sie mitreiten, damit ich sie unter Kontrolle habe! Wie Sie sich eben selbst ausgedrückt haben, bei soviel Geld wäre jedermann dazu fähig!“

Wie können Sie jemandem misstrauen, den Sie gar nicht kennen?“, fuhr Chesters beleidigt auf, doch Rusty lächelte lediglich kalt. „Ich misstraue ihnen nicht, General, ich schließe nur alle Möglichkeiten aus, das ist ein Unterschied. Darf ich Sie also darum bitten, diese Männer abzukommandieren!“ Es klang allerdings nicht wie eine Bitte, sondern wie ein Befehl, der nicht verhandelbar war.

Sie vertrauen wohl niemandem, nicht wahr?“, fragte Amanda anstelle ihres Vaters spitz.

Parker warf ihr einen frostigen Blick zu. „Da haben Sie recht, Teuerste, deshalb lebe ich noch! Ihr Vater sollte das selbst am besten wissen. Also machen Sie die Männer startklar, damit wir fahren können!“, befahl er diesem.

General Chesters atmete sichtlich erleichtert auf. „Dann übernehmen Sie also den Job?“, vergewisserte er sich dennoch.

Rusty nickte. „Der Preis hat sich soeben verdreifacht! Sie zahlen, ich fahre! Aber Ihre Tochter soll sich unterstehen, mir in meine Entscheidungen hineinzureden, andernfalls kann ich zwischen ihr und mir für nichts garantieren, verstanden? Ich hätte nämlich gute Lust ihr meine Meinung über sie zu sagen!“, sagte er kalt.

Danke! Das habe ich schon gehört!“, fauchte sie eingeschnappt zurück.

Chesters nickte. Zu Parkers Erstaunen erhob er keine Einwände gegen den überhöhten Preis. „Amanda wird Ihnen keine Schwierigkeiten machen. Nicht wahr, mein Kind? Sie ist eine sehr verständnisvolle Tochter.“

Diese bedachte ihren Vater mit einem wütenden Blick. Es passte ihr nicht, dass er sich so am Gängelband führen ließ und sie seinetwegen vor dem Wilden würde kuschen müssen.

Gut. Dann darf ich Sie jetzt also um mein Geld bitten? Ich möchte es noch zur Bank bringen, bevor wir losreiten.“

Chesters nickte. „Amanda wird es für Sie abheben, nicht wahr, Liebes?“

Diese warf ihrem Vater einen noch gehässigeren Blick zu, weil er sie nun auch noch als Laufburschen zur Bank schickte. Ihre Wut auf Parker steigerte sich ins Unermessliche.

Der General bückte sich nach seinem Hut und den Handschuhen und hob sie auf. „Geh mit ihm zur Bank und gib ihm, was er verlangt. In der Zwischenzeit werde ich die beiden Lieutenants davon unterrichten, dass sie mit euch mitfahren werden.“

Amanda nickte nur knapp, ihre Wut auf Parker stand ihr ins Gesicht geschrieben.

Dieser grinste ironisch. „Besten Dank. Und bitte beeilen Sie sich. Wir werden nicht die normale Reisegeschwindigkeit einhalten können, weil wir dann zu viel Staub aufwirbeln würden. Schließlich wollen wir ja die Comanchen nicht schon frühzeitig auf uns aufmerksam machen. Aber wir müssen so bald wie möglich abreisen können, damit wir Bentleys Station noch vor Einbruch der Dunkelheit erreichen.“

General Chesters nickte ihm gedankenverloren zu.

Rusty wandte sich hinter Amanda zur Türe, die vor ihm bereits wutschnaubend hinausgerauscht und auf dem Korridor gegen die Treppe verschwunden war.

Parker!“

Dieser hielt gerade erst die Türe in der Hand, um sie hinter sich zuzuziehen, als ihn Chesters zurückhielt. Fragend drehte er sich noch einmal nach ihm um. „Ja, Sir?“

Ich bitte Sie, Parker, passen Sie gut auf meine Tochter auf! Sie ist das einzige Kind, das ich habe!“

Rusty nickte ernst und setzte sich den grauen Stetson wieder aufs Haar. „Sie haben mein Wort, General.“ Er zog die Türe hinter sich zu und folgte der jungen Frau die Treppe hinab. Nach ihr eilte er am bestürzten Stevens vorbei aus dem Wells & Fargo-Gebäude.

Im Obergeschoss trat General Chesters an die Treppe und rief den Unternehmer heran, um nach den beiden Lieutenants schicken zu lassen.

 

Auf der Main Street, kurz vor der Bank, hatte Parker Amanda Chesters schließlich eingeholt.

Sie warf ihm einen giftigen Blick zu, als er zu ihr aufschloss. „Bilden Sie sich darauf bloß nichts ein, Sie Viehtreiber, Sie!“, knirschte sie, ohne ihren Schritt zu verlangsamen.

Rusty lächelte zynisch. „Ich bilde mir überhaupt nichts ein, Teuerste. Sie zahlen, ich fahre. Oder Sie erklären Ihrem Herrn Papa, dass Sie es bleiben lassen! Ist mir egal! Wäre sowieso das Beste für uns alle!“

Ohne darauf zu antworten, schob sie sich an ihm vorbei als erste durch die Türe der Bank.

Der Bankangestellte, ein schmächtiger Mann mit Halbglatze und Nickelbrille, richtete sich eilfertig auf, als sie eintraten. Rusty sah, wie das aufgesetzte, freundliche Lächeln beim Anblick von Amanda Chesters schlagartig erstarb.

Williams, ich brauche 6 000 Dollar! Geben Sie ihm das Geld!“, herrschte sie ihn mit einem abfälligen Wink auf Parker an.

Dieser trat mit einem freundlichen Gruß an den Schalter heran. „Guten Morgen, Mr. Williams. Legen Sie’s bitte gleich auf meinem Konto an, ich brauch’s nicht sofort. Und das hier können Sie auch gleich dazulegen.“ Rusty förderte aus der Hemdbrust das zusammengerollte Geld für die Mustangs zutage, das er dem Bankbeamten unter Trenngitter hindurchschob.

Ted Williams’ Miene hellte sich auf, er schenkte ihm ein freundliches Lächeln, während er das Geld einheimste. „Ihre Geschäfte scheinen gut zu laufen, Mr. Parker“, murmelte er höflich.

Dieser grinste. „Sieht so aus. Ich danke. Richten Sie Ihrer Frau meine Grüße aus, ich hoffe, sie ist auf dem Weg der Besserung.“

Williams nickte. „Ja, es geht ihr wieder leidlich, danke. Werde ich gern ausrichten.“

Ungeduldig wandte ihm Amanda Chesters verärgert das Gesicht zu. „Können wir jetzt endlich fahren?“, zischte sie gehässig.

Parker nickte in aller Gemütsruhe. „Sobald Ihr Vater seine Leute beisammen hat.“

Unter den Augen der beiden Männer rauschte sie wutschnaubend aus der Bank.

Ted Williams begegnete Rustys schmunzelndem Blick. „Was ist denn in Miss Chesters gefahren?“, erkundigte er sich neugierig.

Parker zog die Mundwinkel noch einen Deut weiter nach oben. Es bereitete ihm Vergnügen, dass sie seinetwegen so aus der Haut fuhr. „Ihr ist eine große Laus über die Leber gelaufen. Sie wird sich schon wieder einkriegen, nehme ich an“, feixte er, bevor er sich verabschiedete und ihr nachfolgte.

Kurz vor dem Wells & Fargo-Gebäude hatte er sie überholt. Er lehnte sich an die Fassade, verschränkte die Arme vor der Brust und blickte ihr entgegen. „Warum sind Sie wütend auf mich, statt auf Ihren alten Herrn?“, erkundigte er sich.

Sie wandte ihm noch nicht einmal das Gesicht zu. Um die Stufe auf den Gehsteig zu überwinden, raffte sie ihre Röcke, damit sie nicht über den Saum stolperte. „Ich wüsste nicht weshalb!“

Weil er Sie nicht ins Vertrauen gezogen hat.“

Er ist mein Vater! Er braucht mir nicht alles zu sagen!“, zischte sie ihm schnippisch zu, als sie an ihm vorbeirauschte und im Inneren des Gebäudes verschwand.

Parker blieb seufzend zurück. Das Weibsbild war wirklich unmöglich! Er hoffte, die Fahrt möglichst ohne Zwischenfälle hinter sich bringen zu können und freute sich bereits darauf, ohne sie zurückzukehren.

 

General Chesters stand am offenen Fenster und wartete auf seine beiden Lieutenants, als Amanda missmutig zu ihm ins Dienstzimmer zurückeilte und sich ihm an die Brust warf. „Mein Gott, Papa, wie kannst du mich einem solchen Barbaren anvertrauen? Dieser Mistkerl ist wirklich unmöglich!“

Er stemmte sie mit den Armen von sich weg. „Tut mir leid, Kleines“, brummte er.

Warum hast du mir nichts davon gesagt? Ich wusste nicht, dass es so gefährlich ist.“ Überrascht zog Chesters eine Augenbraue in die Höhe, seine Stirn runzelte sich missbilligend, so dass sie schnell fortfuhr: „Ihr wart so laut, dass ich euer Gespräch durch die geschlossene Türe hören konnte.“

Waren wir das?“, fragte er ungemütlich.

Ja.“

General Chesters fühlte sich unwohl. Er musste Amanda unbedingt bei der Stange halten, wenn er sein Ziel erreichen wollte! Andererseits war er sich sehr wohl bewusst, was er ihr antat. Gleichwohl gab es nun kein Zurück mehr. Er drehte sich zum Fenster und gab vor, nach seinen Lieutenants Ausschau zu halten, um seiner Tochter nicht in die Augen sehen zu müssen. „Tut mir leid, Amanda. Ich wollte dich nicht aufregen. Es ist nicht von Belang. Parker hat das sicher nur gesagt, um seinen Wucherpreis zu rechtfertigen“, erklärte er.

Amanda warf seinem Rücken einen irritierten Blick zu. „Aber die letzte Postkutsche ist laut Mr. Stevens nicht angekommen!“

Chesters verbiss sich einen Fluch, er verwünschte den Kerl dafür. Das fehlte gerade noch, dass ihr Flausen in den Kopf gesetzt wurden, dass sie sich plötzlich weigerte, die Fahrt anzutreten! „Die hatte auch keine Soldaten zu ihrem Schutz bei sich. Sei unbesorgt, mein Kind.“ Er drehte sich mit einem beruhigenden Lächeln zu ihr zurück. „Würde ich dich je einer solchen Gefahr aussetzen, wenn ich damit rechnen müsste, dich nicht wiederzusehen?“

Amanda schluckte nervös. Er verstand es ausgezeichnet, sie als ängstliches Dummerchen hinzustellen. Aber sie war sicher, dass die Männer eher das Gold als sie beschützen sollten.

Mit plötzlicher Ungeduld schob er sie regelrecht zur Türe. Er wollte sie loswerden, bevor sie ihm noch mehr solche Fragen stellte. „Komm, du musst jetzt gehen. Ich habe noch eine Besprechung. Warte unten auf mich, dann begleite ich dich zur Kutsche.“

Sie nickte, aber sie hatte kein gutes Gefühl mehr bei der Sache. Auf einmal begann ihr Herz unruhig zu klopfen. Ihr Vater hatte sie angelogen! Das war eine äußerst merkwürdige Erfahrung. Sie hatte nichts von dem Gold gewusst - bis jetzt. Und er hatte die Fahrt nach Gainesville schon früher verharmlost - wie jetzt! Sie begann sich zu fragen, wem sie diesmal mehr glauben sollte, ihrem Vater oder dem verwilderten Mister Parker!

Auf dem Korridor begegneten ihr die beiden Lieutenants, die von dem Goldtransport wussten. Amanda schlenderte die Stiege hinunter, während Chesters oben seinen eintretenden Männern missmutig entgegenknurrte: „Parker weiß von dem Gold!“

Die beiden Offiziere sahen sich betreten an.

Lieutenant George Miles zog unwillig die Brauen zusammen, bis eine steile Falte zwischen seinen blauen Augen entstand. Der hagere Mann war nahezu zwei Meter groß und schon von daher eine imposante Gestalt. Die graue Uniform der Südstaaten stand ihm gut; manche Frau hielt ihn für eine interessante Erscheinung. Mit seinen 42 Jahren war sein gebräuntes Gesichtnoch erstaunlich faltenlos, weshalb er trotz der ergrauten Schläfen seines dunklen Haars, die sein wahres Alter verrieten, sehr viel jünger aussah.

Nur das, was er wissen soll!“, schränkte Chesters mit schrägem Grinsen relativierend ein. „Deshalb reitet ihr mit und seht zu, dass es auch so bleibt!“

Aber, Sir!“, reklamierte Miles mit erschrockenem Gesicht abwehrend, weil er sofort begriff, was das für sie bedeutete.

So war es aber nicht ausgemacht, Sir!“, murrte Peter Collins noch heftiger. Sein braunes Haar, das unter der Offiziersmütze hervorquoll, weil es so lang war, dass es ihm über den Nacken fiel, streifte über den Kragen seines Uniformrocks, als er den Kopf schüttelte. Collinswar mittelgroß und hager. Obgleich er nicht sehr kräftig aussah, hatte er schon mehr als einmal bewiesen, dass man ihn nicht unterschätzen durfte. Er war ausdauernd und hart im Nehmen. Sein hervorstechendstes Merkmal aber war, dass er selbst in der gefährlichsten Situation seinen Galgenhumor nicht verlor und damit andere zum Lachen brachte. Davon, dass er selbst kein Kind von Traurigkeit war, zeugten seine vielen Lachfältchen, die sich um seine grauen Augen eingegraben hatten. Doch jetzt lachte er nicht. Der Befehl, den Sie soeben so durch die Blume erfahren hatten, war eine todernste Angelegenheit.

General Chesters stieß entschuldigend einen abgrundtiefen Seufzer aus und wies die Schuld sogleich von sich: „Ich weiß. War Parkers Idee. Er will euch unbedingt dabei haben!“

Die beiden warfen sich einen raschen Blick zu. In ihren Mienen spiegelte sich Widerwillen. Es passte ihnen nicht, dass sie sich wegen dieser pikanten Mission plötzlich selbst auf eine so gefährliche Reise begeben sollten. In Zeiten wie diesen, wo die Comanchen zum Kriegsbeil gegriffen und erneut damit begonnen hatten, harmlose Siedler und Zivilisten umzubringen, war es besser, im Fort zu bleiben und auf Verstärkung zu warten, statt in kleinen Verbänden dem Tod ins Auge zu sehen.

Ich habe gehört, Parker soll zuverlässig sein“, erinnerte George Miles in der Hoffnung, seinen Vorgesetzten damit von dem unsinnigen Gedanken wieder abzubringen.

Chesters nickte ernst, aber seine Miene blieb düster. „Das habe ich auch, Lieutenant! Aber es ist eine Menge Geld, deshalb bleibt mir nichts anderes übrig. Also behaltet ihn im Auge! Zudem kann ich mir niemand anderen vorstellen, der besser auf unser Eigentum und auf Amanda aufpassen könnte als ihr zwei!“, versuchte er es ihnen schmackhafter zu machen.

Collins sperrte entsetzt den Mund auf: „Ihre Tochter, Sir?“

Um Gottes Willen, General!“

Den beiden war bisher nicht bewusst gewesen, wer diese Reise überhaupt antreten würde. Chesters hatte sie lediglich darüber ins Bild gesetzt, dass eine Fahrt stattfinden und die Kutsche mit Gold beladen sein würde und hatte sie damit beauftragt, dieses Gerücht im Fort in Umlauf zu bringen. Perplex warfen sie sich einen beredten Blick zu.

General, Sir! Bitte entschuldigen Sie, aber diese Fahrt ist ein Todeskommando!“, knirschte Miles. „Ist Ihnen wirklich bewusst, was Sie hier tun? Ihre Tochter könnte mit uns allen draufgehen!“

Chesters nickte. „Ich weiß. Aber auch ihr beide wisst, was auf dem Spiel steht!“, erinnerte er brummig. „Wenn die Comanchen wieder bereitstehen, wissen wir, dass wir einen Verräter hier im Fort haben, der alle unsere Bemühungen sabotiert! Nein, ich habe es mir reiflich überlegt, es gibt keine andere Möglichkeit!“

Warum muss es ausgerechnet jetzt sein? Warum können Sie nicht jemand anderen als Ihre Tochter ins Verderben schicken?“, nahm Collins einen weiteren Anlauf.

Die beiden bemerkten, wie sich Chesters Miene verfärbte. Genervt versuchte er seine überschäumenden Emotionen abzuleiten, indem er auf den Zehenspitzen wippte, was er häufig tat, um nicht ausfallend zu reagieren. „Lieutenant!“, donnerte er mit reichlich verhaltener Stimme, damit man ihn unten nicht hören konnte, „ich mag es nicht, wenn Sie meine Entscheidungen in Frage stellen! Es gibt einen zwingenden Grund dafür, den Sie nicht zu kennen brauchen, dass die Reise keinen Aufschub duldet, und ich wüsste niemand anderen, der sich aus Patriotismus dazu bereiterklärt hätte außer meiner Tochter!“

Darauf gab es nichts zu sagen. Zumindest nichts, das Chesters Aggressivität nicht noch gesteigert hätte. Fast synchron stießen die beiden Offiziere einen abgrundtiefen Seufzer aus. Dass der General sie mit dieser wichtigen Aufgabe betraute, war ja eigentlich eine Ehre - wenn das Risiko wegen der aufständischen Comanchen nur nicht so hoch gewesen wäre! Und dann noch mit einer Postkutsche! Selbst zu Pferd war es brandgefährlich, aber zumindest wären sie schneller unterwegs gewesen! Von der Generalstochter durften sie hingegen nicht erwarten, dass sie die gesamte Strecke im Sattel auf sich nahm. Ihnen war nur zu klar bewusst, dass Amanda Chesters so viel Schutz bedurfte wie nur irgend möglich, zudem konnten sie den Befehl nicht einfach ablehnen, das wäre Befehlsverweigerung gewesen und hätte sie vors Kriegsgericht gebracht. Unehrenhafte Entlassung aus dem Militär wäre dabei noch das Mindeste, was sie erwartete. Zähneknirschend willigten sie schließlich gezwungenermaßen ein, weil es schlichtweg keine andere Möglichkeit gab.

Collins und Miles standen mit verzerrten Mienen stramm. „Yes, Sir, General! Sie können sich auf uns verlassen!”

Er nickte. „Das weiß ich. Deshalb seid ihr auch meine Männer für dieses Unternehmen! Ihr wisst, was auf dem Spiel steht! Passt mir gut auf Amanda auf!“

Wir tun unser Möglichstes, Sir!“ Die beiden salutierten, dann machten sie sich auf den Weg zum Schlafraum, um ihre Habseligkeiten zu holen.

Chesters blickte zum Fenster hinaus und seufzte. Er konnte nur hoffen, dass das Vorhaben gelang. Er wagte sich gar nicht erst auszumalen, was passieren würde, wenn sie scheiterten. Davon hing mehr als nur seine Zukunft ab. Während sich die Schritte der beiden Lieutenants auf der Treppe entfernten, griff er nach seinen Handschuhen, die in seinem Hut auf dem Tisch lagen und zog sie an, danach drückte er den Hut auf sein graues Haar und rückte seinen Uniformrock zurecht. Er wollte gut aussehen, wenn er seinen schwersten Gang tat.

 

Als General Chesters hochaufgerichtet nach seinen Lieutenants die Treppe hinunterkam und durch den Warteraum schritt, hakte sich Amanda mit einem schwachen Lächeln bei ihm ein, um sich von ihm hinausführen zu lassen. Die Postkutsche stand bereits vor der Tür, so dass sie nur noch einzusteigen brauchte. Ihr Gepäck war soeben hinausgetragen und aufgeladen worden.

Amandas Stimmung war gedämpft, als sie Arm in Arm mit ihrem Vater aus dem Wells & Fargo-Gebäude trat und er sie über die Straße zur Kutsche hinüber begleitete. Sie war sich plötzlich nicht mehr sicher, ob sie das Richtige tat. Die Gerüchte, die ihr eben zu Ohren gekommen waren, beunruhigten sie aufs Höchste, aber ihr war klar, dass es nun zu spät war und lächerlich gewirkt hätte, wenn sie die Reise jetzt so kurzfristig noch abgesagt hätte. Zudem schien die Fahrt schon allein wegen dem Goldtransport für ihren Vater enorm wichtig zu sein.

Hinter der Postkutsche warteten der Soldat James Cannon und Lieutenant Dean Beacher, die ersten beiden Soldaten, die als bewaffneter Begleitschutz abbeordert worden waren, darauf, dass die Fahrgäste endlich einstiegen, damit es losgehen konnte. Bis an die Zähne mit Winchestern, Pistolen und Wurfmessern bewaffnet, saßen sie abmarschbereit in den Sätteln ihrer Pferde.

Parker hatte den Auflad der bereitgestellten Reisetaschen beaufsichtigt und sich gefragt, wofür Frauen soviel unnützes Zeug mit sich schleppten, gleichzeitig hatte er die Gelegenheit benutzt, die restliche Ladung in Augenschein zu nehmen. Sein Urteil danach fiel mehr als kritisch aus, und er hätte sich viel mehr Soldaten zu ihrem Schutz gewünscht. Denn trotz der zusätzlichen Repetiergewehre und der vollen Munitionskiste, die leicht erreichbar inmitten des Gepäcks auf dem Kutschendach lagen, war ihre Bewaffnung damit minimal, wenn man bedachte, dass sie unterwegs auf gegen dreihundert Comanchen stoßen konnten, die sich auf dem Kriegspfad befanden.

Auf dem Kutschbock hielt der alte Tyler Sinclair die Zügel bereits fest in der Hand und wartete auf den Befehl zum Abmarsch. Er war ein schmächtiger Mann mit gestutztem Bart, der sein wettergegerbtes Gesicht zierte, und schlohweißem Haar, das er unbedeckt trug, weil er es liebte, sich die Sonne ins Gesicht scheinen zu lassen. Dafür hatten sich vom Blinzeln tiefe Krähenfüße um die grauen Augen eingegraben. Trotz seines doch schon etwas fortgeschrittenen Alters sah er mit der Schärfe eines Adlers und war bei der Wells & Fargo-Company noch immer einer der besten Kutscher, der seinen Job mit Herzblut erfüllte und seine Pferde kannte wie kaum ein zweiter.

Sein Beifahrer Ben Trane, ein junger Bursche von etwas mehr als zwanzig Jahren, hielt fast krampfhaft seine Winchester in den Händen, als stünde ein Angriff der Comanchen bereits kurz bevor. Eigentlich schien er zu jung, um schon ein tüchtiger Beifahrer zu sein, doch die Art, wie er sein Halfter trug, ließ ahnen, dass er mit Waffen umzugehen verstand. Das schmale Gesicht mit den braunen Augen war glattrasiert und gebräunt, um die Augen hatten sich bereits feine Fältchen gebildet, ein Zeichen, dass er oft und gern lachte oder wie Tyler häufig gegen die Sonne blinzeln musste. Zu seiner honigfarbenen Baumwollhose trug er eine langärmelige, mit Fransen besetzte Wildlederjacke, die er offen und ohne Hemd trug. Quer über seine unbehaarte Brust lief eine rote Narbe.

Als der General zusammen mit seiner Tochter aus dem Gebäude der Wells & Fargo-Company trat, beugte er sich leicht seitwärts zu Sinclair hinüber, um ihm zuzuraunen: „Ich kann nicht verstehen, warum der Alte seine Tochter opfert! Ich möchte zu gern wissen, wieso!“

Der Alte warf ihm nur einen kurzen Blick zu. „Weil er wohl überzeugt davon ist, dass wir’s schaffen!“, knurrte er halblaut zurück. In seiner Miene regte sich kein Muskel, der angedeutet hätte, wie er sich fühlte.

Trane nickte missmutig. Er hatte keinen Grund, seinen Verdruss über Chesters und seine Brut zu verhehlen. „Das können wir nur hoffen, Ty! Gott verdammt, mir gefällt die Sache ganz und gar nicht!“

Mir auch nicht, Ben, aber Befehl ist Befehl. Also machen wir das Beste draus.“

In Tranes Miene zuckte es, vor Ärger und vor Angst. Bisher hatte ihm noch niemand einen Mangel an Mut nachsagen können, aber die Aussicht auf eine Übermacht blutrünstiger Comanchen war mehr, als seine Nerven ertrugen. Dennoch hätte er wie Parker seinen alten Freund Sinclair nie im Stich gelassen. Er nickte entschlossen, um seine Furcht zu bekämpfen. „Ist gut, Ty! Stampfen wir die Insmen in Grund und Boden!“, knirschte er infolgedessen heftig.

Der Abschied von Vater und Tochter verlief kurz und förmlich. Der General ließ vor allen Anwesenden keine Gefühle zu, weder seine eigenen, noch die seiner Tochter.

Obwohl sich Parker vor dem Eingang gerade von Henry Stevens verabschiedete und sein Augenmerk ganz auf diesen gerichtet hatte, bekam er dennoch aus den Augenwinkeln mit, wie sich die beiden lediglich distanziert wie zwei Fremde die Hände reichten. Kopfschüttelnd über so viel Kaltherzigkeit ging er zu seinem wartenden Pferd. Der Schecke begrüßte ihn mit einem leisen Schnauben und rieb seine Nüstern an ihm, als er herantrat. Liebevoll tätschelte ihm Rusty den Hals, bevor er die Zügel vom Holmen löste, sie kürzer fasste und aufsaß.

In dem Moment verließ ein junger, geschniegelt aussehender Mann den Gehsteig und kam auf General Chesters und dessen Tochter zu. Parker hatte ihn bis dahin gar nicht beachtet, weil er ihn für einen gewöhnlichen Passanten gehalten hatte. Er war in Zivil gekleidet. Unter seinem schwarzen Gehrock mit Weste trug er ein weißes Baumwollhemd, dazu graue Twillhosen und einen schwarzen Stetson. Anhand des ausbeulten, angesetzten Rockschosses nahm Parker an, dass er mit einem Revolver bewaffnet war. Unter seiner Hutkrempe hervor beobachtete er, wie der Ankömmling die beiden begrüßte.

Morgen, General“, lärmte der Mann aufgekratzt, als bräche er zu einem Sonntagsspaziergang auf. Er tippte sich mit der Hand an den Hut, um einen militärischen Gruß anzudeuten, bevor er sich lächelnd der jungen Frau zuwandte und ihre Hand in seine nahm. „Guten Morgen, Liebling. Bist du soweit?“

Ja, Patrick.“ Sie nickte ernst, die Erwiderung ihres Lächelns misslang. Ihr war deutlich anzumerken, wie unwohl sie sich fühlte und dass sie diese Fahrt nicht wirklich aus Freude unternahm.

Chesters legte ihm kurz den Arm um die Schultern, um seine Aufmerksamkeit zurückzugewinnen. „Passen Sie gut auf Amanda auf, mein Junge!“, sagte er mit ernster Miene und, wie es schien, ziemlich eindringlich zu ihm. Parker stellte fest, dass er seine Tochter scheinbar doch nur ungern ziehen ließ.

Der Mann nickte. „Das werde ich, General, mein Wort darauf.“

Die beiden jungen Leute verabschiedeten sich von Chesters: Garreth mit einem Händedruck, die Tochter nun doch mit einem flüchtigen Kuss auf die Wange, den der General diesmal nicht abwehrte, was Rusty schon viel besagte. Danach stieg sie in die Postkutsche und der Mann folgte ihr.

Parkers Mund verkniff sich. Dass er den Fremden nun als Fahrgast auf dem Hals hatte, erfüllte ihn mit gemischten Gefühlen. Niemand hatte ihn auf diesen vorbereitet, er kannte den Kerl nicht, und obwohl er nur einen kurzen Blick in sein Gesicht erhascht hatte, störte ihn irgend etwas an ihm, das er zwar nicht hätte benennen können. Er nahm sich vor, den Schnösel im Auge zu behalten.

Es dauerte einen Moment, bevor die beiden Lieutenants Miles und Collins mit einiger Verspätung endlich beritten zu ihnen stießen, um die kleine Gruppe zu verstärken.

Parker warf dem Wells & Fargo-Unternehmer einen letzten Gruß zu, dann schnalzte er mit der Zunge und ritt das kurze Stück über die Straße. Nach einem kurzen Kontrollblick lenkte er seinen Schecken an Tyler Sinclairs Seite. „Wir können fahren, Ty“, nickte er dem Kutscher zufrieden zu.

Der Alte grinste etwas verzerrt. Wie alle hier war er nicht ausgesprochen scharf darauf, sich für dieses Weibsbild in Gefahr zu bringen. Aber Job war Job, und wenn am Ende eine Flasche Rum nebst dem Gehalt auf einen wartete, konnte man den Auftrag nicht ablehnen. Er ließ die Peitsche über den Köpfen seines Gespanns knallen, und die sechs Braunen zogen an.

 

Die beiden Fahrgäste winkten dem General solange zu, bis er von der dicken Staubwolke verschluckt wurde, die die Postkutsche auf ihrem Weg aus der Stadt bereits hinter sich herzog.

Parker ritt als Kundschafter auf seinem Schecken voraus. Er bedauerte den Umstand, dass es so lange nicht geregnet hatte und dadurch alles knochentrocken war. Das bedeutete, dass sie ihr Tempo nach der Bodenbeschaffenheit richten mussten, um den Comanchen nicht schon auf den ersten Meilen ihre Ankunft anzukündigen.

George Miles und Peter Collins, die beiden Lieutenants, die von dem Gold wussten, folgten der Postkutsche mit ziemlichem Abstand als Nachhut hinterher, um dem gröbsten Dreck zu entkommen, zudem hatten sie ihre Halstücher vor die Gesichter gezogen, um ihre Nasen und Lungen zu schützen. James Cannon und Dean Beacher, die beiden anderen Kavalleristen, hielten sich seitlich neben dem Gespann auf gleicher Höhe.

Parker kehrte zur Kutsche zurück, kaum dass sie die letzten Häuser hinter sich gelassen hatten. Er lenkte den Schecken in eine Schleife und schloss dann zu Tyler Sinclair auf.

Dieser kniff die Augen wegen der Sonne zusammen und warf ihm einen kritischen Blick zu. Er wusste, dass alles darauf ankam, sich nach Parkers Einschätzungen zu richten, wenn sie ein Gelingen überhaupt in Erwägung ziehen wollten.

Ben Trane musste sich auf dem Kutschbock vorbeugen, um einen Blick auf Parker werfen zu können.

Fahren Sie langsamer, Ty!“, schrie dieser, um den Lärm zu übertönen, den die mit Metallreifen versehenen Holzräder auf dem hartgebackenen Boden verursachten.

Wir müssen die Kräfte der Pferde schonen! Zudem wirbeln wir zu viel Dreck auf! Der ist durch ein Fernglas meilenweit zu sehen! Sonst ist durchaus möglich, dass uns Red Fox schon auf den ersten dreißig Meilen angreifen wird!“

Der Fahrtwind wehte dem alten Mann das schlohweiße Haar aus dem Gesicht. „In Ordnung, Rusty.“ Tyler Sinclair nickte, er zog sofort die Zügel an und verringerte das Tempo. Obwohl sie daraufhin nur noch in einem leichten Trab vorankamen, wäre es ihm nie in den Sinn gekommen, an Parkers Warnung zu zweifeln. Es war nicht das erste Mal, dass sie zusammen fuhren, und ihr Verhältnis zueinander beinhaltete mehr als gegenseitiges Vertrauen.

Glauben Sie wirklich, dass sie uns schon vor der Station angreifen werden?“ Benjamin Trane, der Beifahrer, musste sich weit vor- und gegen seinen Partner hinüberbeugen, um sich bei Parker überhaupt verständlich machen zu können. Der besorgte Ausdruck, der seit Beginn ihrer Fahrt auf seinem jugendlichen Gesicht lag, vertiefte sich zusehends.

Wie ich schon sagte, es ist jedenfalls nicht auszuschließen, Mr. Trane“, erwiderte Parker auf die Frage achselzuckend. „Ich bin kein Hellseher. Wir müssen mit allem rechnen. Also haltet die Augen offen. Ich sehe mich da vorne um.“ Ohne eine etwaige Entgegnung abzuwarten, drückte er dem Schecken die Fersen in die Weichen und galoppierte davon.

Trane richtete sich auf seinem Sitz wieder auf. Mit sichtlichem Unbehagen wandte er dem alten Kutscher das Gesicht zu. „Was meinst du, Ty? Ob wir das überleben werden?“ Obwohl er von ihm nur das Profil sah, versuchte er darauf irgendwelche Regung zu erkennen, die darauf schließen ließ, wie er sich fühlte, aber in dem runzligen Gesicht war nichts dergleichen festzustellen.

Sinclair zuckte beinah fatalistisch die Achseln. Er war kein Mann, der sich über etwas Gedanken machte, das noch nicht spruchreif war. Postfahrten durch das wilde Land waren immer gefährlich, ob es sich nun um Indianer handelte, die ihnen auflauerten, oder Banditen, die die Fahrgäste um ihr Vermögen erleichtern oder lediglich verhindern wollten, dass ihre Steckbriefe bis zur nächsten Stadt gelangten und von dort im ganzen Land in Umlauf kamen. Er nahm alles, wie es kam, und das hatte bisher bestens funktioniert. Entsprechend zuversichtlich erfolgte seine Antwort: „Das wollen wir doch hoffen, mein Junge. Zum Glück ist Parker bei uns, das ist schon die halbe Miete. Er versteht die Sprache der Comanchen, kann Spuren lesen und Rauchzeichen deuten. Solange sie nicht wissen, dass er bei uns ist, werden sie unvorsichtig sein. Wenn sie damit anfangen, einander Signale zu senden, werden wir gewarnt sein.“

Und dann?“ Tranes Stirnrunzeln war zu entnehmen, dass der Funke der Zuversicht auf ihn nicht übergesprungen war.

Diesmal verkniff sich auch Tylers Miene, seine Antwort hörte sich an wie ein wütendes Knurren: „Müssen wir uns vor den roten Teufeln in Acht nehmen!“

Amanda Chesters presste ihre Hände aufs Herz, als ihr entsetzt klar wurde, dass die Reise wohl doch nicht so glimpflich verlaufen würde, wie ihr alter Herr ihr gerade eben noch weisgemacht hatte! Da sie unter der kleinen Luke saß, die eine Gesprächsverbindung zum Kutschbock darstellte, hatte sie zwangsläufig jedes Wort mitgehört, das die beiden draußen sprachen. Wütend über ihren Vater knirschte sie mit den Zähnen.

Geht’s dir nicht gut, Schatz?“, erkundigte sich Patrick Garreth mit einem kurzen Blick auf seine Verlobte, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder auf die Umgebung zurücklenkte.

Missmutig stellte sie fest, dass ihn ihr Wohlergehen scheinbar nicht sonderlich interessierte. Obwohl er sie nicht ansah, schüttelte sie mit gekrauster Stirn den Kopf. „Mir ist nicht wohl bei der Sache. Vater sagte, es könne nichts passieren!“ Sie beobachtete Garreth, der die linke Hand auf die halbhohe Wagentüre gelegt hatte und scheinbar ziemlich entspannt in seinen Sitzpolstern lehnte.

Mit einem angedeuteten Lächeln, das sie beruhigen sollte, wandte er ihr nun doch wieder das Gesicht zu. Zugleich schüttelte er sanft den Kopf, um ihr ebenso wie der General einzureden, dass sie ein Dummerchen war und sich viel zu viele Sorgen machte. „Das wird es auch nicht. Er hat uns die besten Männer mitgegeben, die ihr Handwerk verstehen.“

Amanda konnte es nicht ausstehen, wenn jemand sie wie ein Kind zu belehren versuchte. Auf diese Weise vermochte er sie jedenfalls nicht zu beruhigen. Ihr Blick blieb zweifelnd. „Und wenn die Comanchen doch angreifen?“, bohrte sie weiter.

Ungehalten stieß Garreth hörbar die Luft aus. „Dann werden wir mit ihnen verhandeln!“

Damit war Amanda erst recht nicht zu überzeugen. Sie hatte im Fort genug Berichte über diese Bestien aufgeschnappt, um ihrem Verlobten nicht zu glauben.

Drehst du mir eine Zigarette, Ben?“, hörte sie durch die Luke Tyler Sinclair seinen Beifahrer Ben Trane bitten, während sie entschieden den Kopf schüttelte. „Die Comanchen lassen nicht mit sich verhandeln!“

Warten wir’s ab.“ Ungerührt zuckte Garreth die Achseln und starrte wieder zum Fenster hinaus.

Die junge Frau versank in düsteres Brüten. Sie hatte Angst.

Ben Trane klemmte sich die Winchester zwischen die Beine. Aus der Brusttasche seiner Lederjacke klaubte er Tabak und Papier hervor und begann ein dünnes Stäbchen zu drehen. Seine Zunge fühlte sich trocken an, als er den Rand des Papiers ableckte, um es zusammenzukleben. Dabei schweiften seine Gedanken zurück nach Hause zu seinem Mädchen, das jetzt voller Angst auf ihn wartete. Seit dem Befehl, der ihm die Fahrt aufgezwungen hatte, fragte er sich mit Gewissensbissen, ob er seine Verlobte überhaupt jemals wiedersehen würde. Er hätte ihr nicht Hoffnungen machen dürfen. Vermutlich würde keiner von ihnen diesen Höllentrip überleben! Ben Trane war kein Feigling, er hatte nicht Angst vor dem Sterben, aber ihm war unwohl beim Gedanken, den blutrünstigen Comanchen lebend in die Hände zu fallen. Was die dann mit ihm und den anderen anstellen würden... Schon allein der Gedanke daran ließ ihn erschaudern. Er riss ein Streichholz an der Kutsche an und gab sich Feuer. Den ersten Zug inhalierte er tief in seine Lungen, um sich damit etwas zu beruhigen, dann reichte er die Zigarette an Tyler weiter und drehte sich eine eigene.

 

Bereits seit einer geraumen Weile fuhren sie im Abstand von etwa einer Meile einem nackten Bergzug mit abschüssigen Steilhängen entlang, der sich zu ihrer Rechten wie ein rotbraunes Band dahinzog. Die Fahrspur war breit und das Gelände übersichtlich. Rechts und links wuchsen stachelige Mesquitesträucher und Paloverdebüsche inmitten von kurzem, hartem Gras und nacktbrauner Erde. Ab und zu streckten vereinsamte, mannshohe Saguarokakteen ihre langen Arme wie anklagend gegen den stahlblauen Himmel, der von vereinzelten Wolken durchpflügt wurde, die wie Segelschiffe anmuteten. Sie trieben mit dem Wind, der unten nur leicht zu spüren war, in alle Himmelsrichtungen.

Die Prärielandschaft, die sie durchquerten, war praktisch eben und wurde zwischendurch von vereinzelten Felsblöcken oder Felsformationen unterbrochen, die auf unerklärliche Weise hierhergekommen waren.

Obwohl die Gegend übersichtlich und eigentlich ungefährlich aussah, nahm Parker seinen Job von Anfang an todernst. Er war der wachsame Wolf, der sein Rudel führte und zu beschützen hatte. Er wusste, dass Red Fox’ Späher überall sein konnten und dass sie nirgends vor einem Überfall sicher waren. Aufmerksam sah er sich um. Seine vom Hutrand beschatteten Augen kontrollierten jeden Zoll Boden, schweiften von einer Landschaftskontur zur nächsten und kehrten wieder auf die vorherige zurück. Meist ritt er voraus und kehrte nur rasch zur Postkutsche zurück, um Tyler Bescheid zu geben, ob alles in Ordnung und unbedenklich war.

Eine Meile vor ihnen begann die Landschaft hügeliger zu werden und die Bodenwellen tiefer. Die übersichtlichen Strecken verkürzten sich, die Fahrspur verlor sich zwischendurch immer wieder hinter irgendwelchen Biegungen oder versprengt herumliegenden Felsformationen, die aus dem ausgetrockneten Prärieboden herausragten, als hätte eine Riesenfaust sie irgendwann fallengelassen. Bisher war alles vollkommen ruhig geblieben und von Indianern nichts zu sehen.

Rusty kehrte zu den anderen zurück, die ihm weiterhin nur im Trab folgten. „Wir halten hier, Ty!“, befahl er kurz und warf den Schecken herum.

Es bedurfte keiner langen Erklärung. Sinclair nickte und zog die Zügel an. Die beiden funktionierten wie ein eingespieltes Team. Mit einem beruhigenden, aber lauten „Brrr!“ brachte er die stampfenden Pferde zum Stehen.

Parker sprengte um die kleine Gruppe herum, um die Gegend noch einmal zu sichern.

Ben Trane warf Tyler einen überraschten Blick zu. „Warum halten wir, Ty?“

Weil Parker es so will!“, knurrte dieser, bevor er sich zu einer richtigen Antwort entschloss und belehrend hinzufügte: „Wohl weil es in den Hügeln zu gefährlich ist, Junge. Parker wird schon wissen, was er tut.“

Ach so, ja klar, entschuldige.“

Tyler zog die Bremse an und schlang die Zügel um den Kurbelgriff. Hölzern kletterte er vom Kutschbock. Sein Alter machte ihm von Zeit zu Zeit schaffen, wenn er von Kreuzschmerzen geplagt wurde oder seine Hüftarthrose sich meldete, dann musste er verärgert einsehen, dass es nicht mehr so schnell ging wie früher. Dennoch war er noch immer einer der Besten auf dieser Strecke, und er hoffte, dass das noch lange so bleiben würde.

Trane sprang auf der anderen Seite vom Bock hinunter.

Parker war bereits abgestiegen. Er hielt die Winchester wie ein Baby schussbereit im Arm, während er den Fahrgästen die Türe der Kutsche öffnete.

Die vier Soldaten folgten seinem Beispiel, dennoch blieben sie wachsam, während er abgelenkt war.

Steigt aus, wir rasten hier. Ihr könnt euch ein wenig die Beine vertreten, bevor es weitergeht, aber lasst alles im Wagen!“, befahl Parker kurz angebunden.

Amanda Chesters Verlobter Patrick Garreth bedachte ihn mit einem wütenden Blick, bevor er sich abwenden konnte. Dass ihm ausgerechnet dieser Wilde Befehle erteilte, war er nicht gewillt zu akzeptieren. Er nahm den frühen Halt, der gar nicht nötig war, zum Anlass, ihm gleich eine Lektion zu erteilen. „Warum halten wir jetzt schon? Wir sind ja kaum losgefahren!“, herrschte er ihn ungnädig an, um seine Autorität ein für allemal klarzustellen.

Parker bedachte den großmäuligen Angeber lediglich mit einem unterkühlten Blick, nahm die Hand von der Wagentüre und trat er einen Schritt zurück, um ihnen Platz zu machen. „Weil ich es sage! Wenn ihr keine frische Luft haben wollt, dann lasst es sein und bleibt drin, ist mir egal!“ Er hielt es nicht für nötig, eine Erklärung darüber abzugeben, weshalb es im ebenen Gelände sicherer war als vorne in den Hügeln, wo ihnen die Übersicht fehlte. Gleichgültig wandte er sich ab und überließ die beiden sich selbst.

Garreths Miene verzerrte sich vor Wut, dass dieser Wilde die Frechheit besaß, ihn so herunterzuputzen und einfach stehenzulassen. Während er sich in seinem Groll suhlte, stieg Amanda kurzentschlossen vor ihm aus. Als sie den Kopf zur Wagentüre hinausstreckte, war Parker hinter der Kutsche verschwunden. An seiner Stelle reichte ihr Ben Trane die Hand, um ihr sicher herauszuhelfen, damit sie nicht übers Trittbrett hinunterfiel. Obwohl er sich höflich benahm, als er ihren Arm stützte, stellte sie betroffen den Missmut in seiner verkniffenen Miene fest, der sichtlich gegen sie oder Garreth gerichtet war. Verärgert raffte sie ihr Kleid, um nicht über den Saum zu stolpern.

Wie eine aufgescheuchte Hornisse folgte ihr Verlobter dicht hinter ihr, als müsste er sie vor dem jungen Weißen mindestens ebenso beschützen wie vor dem Wilden, der ihren Trupp anführte.

Parker öffnete den Deckel vom Wasserfass, das hinter der Kutsche befestigt war, und nahm die Kelle vom Haken. Es plätscherte, als er sie eintauchte, um Wasser herauszuschöpfen. Während er ein paar Schlucke trank, betrachtete er aufmerksam die Gegend rundum.

Garreth bedachte ihn mit einem geringschätzigen Blick, als er ihn sah, und ließ ihn spüren, dass er ihn aufgrund seiner Abstammung als minderwertig betrachtete.

Davon ließ sich Rusty nicht aus der Ruhe bringen. Die entbehrungsreichen Jahre seiner Kindheit hatten ihn geprägt, Anfeindungen solcher Art prallten an ihm ab, ohne ihn zu treffen. Er grinste frech zurück, um ihm zu zeigen, wie egal ihm das war.

Tyler Sinclair beobachtete die beiden mit Argwohn. Garreth sah aus, als würde er das Halbblut gleich zum Duell fordern, deshalb ging er mit seiner Frage lieber schnell dazwischen: „Wie lange rasten wir hier, Parker? Lohnt es sich, ein Feuer zu machen?“, fragte er, obwohl er wusste, wie unsinnig das war, aber in der Eile war ihm gerade nichts Gescheiteres eingefallen.

Rusty war froh, dass Tyler dem Heißsporn den Wind aus den Segeln nahm, indem er die Konzentration auf sich lenkte. Ein Kampf in dieser Einöde würde unnötig Zeit kosten, während ein Schuss geradezu verheerend war. Indem er sich Tyler zuwandte, verkniff er sich kopfschüttelnd ein erleichtertes Grinsen. „Nein, kein Feuer, Ty. Die Comanchen können es riechen und vor allem sehen sie den Rauch. Zu gefährlich. Falls uns Red Fox überrascht, müssen wir schnellstens verschwinden können. Habt ihr Trockenfleisch dabei?“

Der Alte nickte zustimmend.

Gut. Verteilt etwas davon und trinkt das Wasser aus dem Fass. Die Wasserflaschen spart euch auf für später, die brauchen wir vermutlich noch! Wir wollen hier nicht lange verweilen, aber vielleicht werden wir nicht mehr dazu kommen, uns die Beine zu vertreten. Erfrischt euch und haltet euch jederzeit zum Aufbruch bereit. Wenn ich los sage, geht es um Sekunden!“, warnte er.

Ben Trane drehte sich fragend zu Parker um: „Wie ist es mit den Pferden? Soll ich sie lieber noch mal füttern?“

Das Halbblut schüttelte ernst den Kopf. „Nein, wir warten besser damit, bis wir Bentleys Station erreicht haben. Mit den Haferbeuteln können sie nicht schnell genug laufen, und im Notfall dauert es zu lange, sie ihnen abzunehmen. Ihr habt sie hoffentlich heute morgen gut gemästet.“

Die Soldaten ließen ihre Pferde mit hängenden Zügeln stehen. Sie rauchten und versorgten sich mit Wasser. Trane verteilte Trockenfleisch, das Amanda Chesters mit einem Nasenrümpfen angewidert ablehnte. Dean Beacher brachte ihr einen Becher Wasser.

Über den Rand der Wasserkelle hinweg beobachtete Parker, wie sie sich auch dem großgewachsenen Lieutenant gegenüber ausgesprochen unhöflich aufführte, als wären alle hier Anwesenden minderwertig oder zumindest unter ihrem Niveau. Im nächsten Moment wurde seine Aufmerksamkeit jedoch auf Garreth gelenkt, als dieser sich anschickte, eine Runde um die Kutsche zu drehen, um die steifen Gelenke zu lockern. Angesichts der drohenden Gefahr durch die Comanchen, die jederzeit auftauchen konnten, war das keine gute Idee. Parker hängte die Wasserkelle an den Fassrand und war augenblicklich zur Stelle, um ihm den Weg zu vertreten. „Passen Sie auf! Gehen Sie nicht zu weit von der Kutsche weg, Mister!“, machte er ihn darauf aufmerksam.

Ich weiß, was ich tue!“, funkelte ihn Garreth wütend an, weil er ihm schon wieder Befehle erteilte, die er nicht gewillt war anzunehmen. Mit einer hochmütigen Geste marschierte er an ihm vorbei, aber dann hielt er es wohl doch für besser, sich an die Weisung zu halten, jedenfalls beschrieb er einen relativ engen Bogen um den Wagen und die Pferde.

Parker sah ihm missmutig nach, wie er sich an den Rundgang machte. Der Kotzbrocken ging ihm bereits gewaltig auf die Nerven. Als er sich umdrehte, sah er gerade noch, dass sich auch die Generalstochter von der Kutsche entfernte. Sie hatte ihre Röcke gerafft, um für ihre Notdurft hinter einem nahen Felsen zu verschwinden, der wie eine heruntergefallene Murmel freiliegend im Prärieboden steckte. Ärger als ein verdammter Sack voll Flöhe! Gereizt knirschte Rusty mit den Zähnen. Diese verdammten Stadtleute hatten keine Ahnung von den Gefahren dieser Wildnis!

Mit ein paar schnellen Schritten war er hinter ihr, packte sie derb am Arm und riss sie so hart zurück, dass sie aufschrie. „Ich sagte doch eben Ihrem Partner, Sie sollen sich nicht von der Kutsche entfernen, Miss!“, zischte er scharf.

Au! Sie tun mir weh, Sie ungehobelter Mistkerl!“ Anstatt ihm nachzugeben und sich damit weitere Schmerzen zu ersparen, sträubte sie sich uneinsichtig gegen ihn, als er sie zum Wagen zurückbringen wollte. Sie blieb wütend stehen, zerrte an ihrem Arm und versuchte sich loszureißen, aber sie schaffte es nicht, ohne befürchten zu müssen, dass er ihr das Kleid zerriss.

Der Griff seiner Finger war hart und lockerte sich um keinen Millimeter, stattdessen wurde er nur härter.

Verdammt! Lassen Sie mich sofort los! Ist es nicht mal mehr erlaubt, seine Bedürfnisse zu verrichten?“, keuchte sie schrill.

Mit einem kühlen Lächeln, das seine ausdrucksstarken Augen jedoch nicht erreichte, grinste Parker sie nur respektlos an. „Wollen Sie sich von den Comanchen den Hintern aufschlitzen lassen?“

Garreth befand sich erst auf der Rückseite der Kutsche, als er Amandas Aufschrei und Fluchen hörte. Es war unschwer zu erraten, mit wem sie sich stritt, obwohl Parker mit gedämpfter Stimme sprach, als wollte er vermeiden, dass er ihn hörte! Wütend beschleunigte er seine Schritte, um ihr zu Hilfe zu eilen, obwohl ihm der Gedanke, dem Hinterwäldler die Faust in die Fresse zu schlagen, beinahe Vergnügen bereitete. Er war nur zu gern bereit, dem eingebildeten Mistkerl zu zeigen, dass sie es nicht nötig hatten, sich von Abschaum wie ihm herumkommandieren zu lassen!

Ihre blauen Augen blitzten Parker entrüstet an. „Sparen Sie sich Ihre vulgären Ausdrücke und lassen Sie mich los! Was geht es Sie an, was ich tue?“, schleuderte sie ihm wutentbrannt entgegen.

Dieser bedachte sie mit einem eisigen Blick, sein Griff lockerte sich nur geringfügig, als er stehen blieb. Er wirkte fast bedrohlich auf sie, als er sein narbiges Gesicht zu ihr hinunterneigte. „Sehr viel sogar, Miss Chesters! Ihr Vater hat mich dafür bezahlt, dass ich auf Sie aufpasse, und also tue ich es auch! Und jetzt halte ich es für besser, wenn Sie hierbleiben! Wir sind hier nicht auf einer Spazierfahrt, das sollten Sie besser nicht wieder vergessen! Notfalls werde ich Sie gewaltsam dazu zwingen, zu tun, was ich für richtig halte!“

Versuchen Sie es!“ Amanda stampfte zornig mit dem Fuß auf, während sie sich weiterhin weigerte, die paar Schritte mit ihm zur Kutsche zurückzukehren.

Ihr kindliches Verhalten bewirkte, dass sich seine Mundwinkel unwillkürlich nach oben zogen. „Sie benehmen sich wie eine ungezogene Göre!“, grinste er spöttisch, weil ihn ihre verzweifelte Wut plötzlich mehr amüsierte als aufregte, was sie erst recht in Rage versetzte.

Verletzt stand sie mit funkelnden Augen vor ihm, hatte die Brauen zornig zusammengezogen und das weiche Kinn energisch vorgeschoben. Mit einer Kraft, die er ihr kaum zugetraut hätte, wehrte sie sich gegen ihn, verankerte die Füße fest im Boden und stemmte sich keuchend in entgegengesetzte Richtung. Ihr Atem kam stoßweise aus ihrem leicht geöffneten Mund, zwischen den rosigen Lippen schimmerten ihre weißen Zähne.

Parker schenkte ihr jedoch nicht länger Beachtung. Er hatte der drohenden Gefahr durch die Comanchen seine Aufmerksamkeit schon viel zu lange entzogen! Statt sich mit dieser störrischen Mamsell herumzuplagen, musste er sich um die Sicherheit seiner Leute kümmern, sonst waren sie schneller verloren als ihnen lieb war! Da sie nicht wussten, ob Red Fox ihre Abfahrt bereits schon zugetragen worden war und wie schnell er mit seinen Kriegern zur Stelle sein konnte, wollte er lieber umgehend wieder aufbrechen. Seine Finger fassten den Gewehrlauf fester. Als versuchte er, das Versäumte nachzuholen, wanderten seine Blicke hastig zwischen den Hügeln und den flachen Senken hin und her. Und da Amanda nicht nachgab, ließ er sie ganz plötzlich und ohne Vorwarnung los.

Das kam für sie so überraschend, dass sie sich nicht auf den Beinen halten konnte. Erschrocken stieß sie einen kleinen Schrei aus, als sie den Halt verlor. Mit rudernden Armen versuchte sie noch ihr Gleichgewicht zurückzugewinnen, aber sie landete hart mit ihrem Allerwertesten am Boden. Um sie herum wallte der Staub hoch, der sie überpuderte, ihre Röcke wurden in die Höhe geworfen und gaben den Männern den Blick auf ein Stück ihrer Unterschenkel preis.

Vor Wut und Scham schoss der Generalstochter das Blut ins Gesicht.

Hastig wandten sich die Männer ab, damit sie sie nicht lachen sah, aber insgeheim verzogen sich ihre Gesichter zu erheiterten Grimassen. Es tat ihnen gut, zu lachen, dabei lockerte sich ihre Anspannung ein wenig, die sie seit der Abfahrt aus Cooper gepackt hielt. Für einen kurzen Moment wurden ihre Gedanken an den drohenden Feind etwas abgelenkt.

In Parkers Miene hingegen regte sich kein Muskel. Über ihren Kopf hinweg beobachtete er die Gegend hinter ihr und fasste seine Winchester fester.

Sie Mistkerl!“, zeterte sie, während sie sich hastig aufsetzte, um ihre Beine rasch wieder zu bedecken. Sie war überzeugt davon, dass der Wilde das mit Absicht getan hatte, um sie mit diesem peinlichen Sturz zu demütigen.

Der einzige, der sich rührte und scheinbar für die junge Frau Verständnis aufbrachte, war ihr Verlobter, der wie ein Berserker hinter der Kutsche hervor auf ihn zugeschossen kam. „Du verfluchte Rothaut!“, schrie er schon wutentbrannt, bevor er ihn erreicht hatte. Er packte Parker grob am Arm und riss ihn herum. Dabei hätte er um ein Haar fast das Korn des Gewehrlaufs ins Gesicht bekommen, als dieser brüsk herumschwang. Mit einem von unten herauf geführten Kinnhaken versuchte er ihn mit der freien Rechten zu treffen, aber Parker reagierte blitzschnell, als wäre er darauf vorbereitet.

Wie der Schnabel eines Adlers stieß seine Linke vor, seine Finger krallten sich um Garreths Handgelenk und verdrehten ihm den Arm, bis er sich vor Schmerz vorbeugen musste, um dem Druck auszuweichen. Es sah aus wie die Verbeugung nach einem Theater, irgendwie urkomisch in dieser gottverlassenen Wildnis, so dass sich die umstehenden Männer ein weiteres Mal ihr Gelächter verkneifen mussten. Parkers Miene hingegen wirkte wild und gefährlich, sein Knurren war drohend: „Erheben Sie nie, nie wieder die Hand gegen mich, Mister, wenn Sie sie behalten wollen!“

Verdammt, ich lasse meine Braut doch nicht von einem wie Ihnen so behandeln! Das geht eindeutig zu weit! Sie werden sich vor ihrem Vater zu verantworten haben!“, heulte Garreth, obwohl er sich nicht zu rühren wagte, um sich weitere Schmerzen zu ersparen. Angesichts seiner Lage war es eine lächerliche Drohung, die an Parkers dicker Haut wirkungslos abprallte.

Amanda rappelte sich zornig auf die Knie hoch.

Parker drückte mit Absicht noch etwas stärker, damit er in die Knie ging, bevor er ihn losließ. „Sprechen Sie sich ruhig aus!“, spottete er ungerührt.

Garreth ächzte vor Schmerz. Sein Arm fühlte sich halb taub an, als er ihn endlich wieder nach vorne nehmen konnte.

Parker machte einen Schritt zur Seite für den Fall, dass er ihn nochmals anzugreifen versuchte. „Und jetzt sperren Sie Ihre Ohren auf, Sie Schießbudenfigur! Hier geschieht, was ich bestimme und nichts anderes, ist das klar? Wenn Sie was für Ihre Braut tun wollen, dann helfen Sie ihr auf die Beine, Sie Held!“

Danke, das ist schon nicht mehr nötig, Sie... Sie...!“ Auch Amanda kochte vor Wut, ihr Hinterteil schmerzte wegen dem Mistkerl nicht eben wenig. Unter seinem zynischem Blick verstummte sie jedoch und sprach das hässliche Wort nicht aus, das ihr auf der Zunge lag.

Parkers Stimme klirrte wie Eis, als er mit kaltem Grinsen spottete: „Warum reden Sie denn nicht weiter, Miss Chesters? Haben Sie auf einmal Ihren Mut verloren? Wie Ihr Begleiter wohl richtig festgestellt hat, bin ich ein halber Indianer, noch dazu ein Apache! Sie sollten sich also wirklich vor meinesgleichen hüten!“

Tyler Sinclair warf seinem Beifahrer einen grinsenden Blick zu. Von sich aus würde Parker keiner Fliege etwas zuleide tun, obwohl seine Mutter eine Chiricowa-Apachin gewesen war, aber für die Weißen waren ohnehin alle gleich. Ob Mestizen oder Rothäute, für sie sahen alle gleich aus und waren gleichbedeutend mit Gefahr.

Parker war jetzt voll ihn Fahrt, als er mit Absicht fortfuhr, sie zu ängstigen: „Vielleicht sollte ich euch direkt zu Red Fox bringen und euch ihm als Geschenk anbieten, damit wir anderen unbeschadet bis nach Gainesville durchkommen können, was haltet ihr davon?“ Er beobachtete, wie sich ihre Augen vor Entsetzen weiteten. Vielleicht fragte sie sich auch gerade, ob er das wirklich tun würde oder ob er ihr nur Angst einzujagen versuchte, aber jedenfalls gelang es ihm, sie zu verunsichern.

Garreth spuckte wütend einen Priem Speichel aus.

So, und nachdem das geklärt ist, verrichten Sie jetzt Ihr Geschäft und zwar hier und unter meiner Aufsicht! Und beeilen Sie sich, damit wir weiterfahren können!“

Was unterstehen Sie sich! Ich ziehe mich doch nicht vor Ihnen aus!“ Vor Empörung schien die kleine Frau zu wachsen, als sie sich ihm zickig entgegenstellte.

In Parkers Gesicht regte sich kein Muskel, der angedeutet hätte, was er dachte. „Ich werde vor Ihnen stehen und Ihnen den Rücken zudrehen. Also, machen Sie schon! Verschwindet, Leute! Hinter den Wagen und passt dort auf! Und jetzt beeilen Sie sich, bevor wir die Comanchen am Hals haben!“

Er drehte sich um, bevor ihm Amanda einen flammenden Blick zuwerfen konnte. Er verwünschte sie ins Pfefferland.

Die Männer gehorchten nur widerwillig, schließlich hätte es ja vielleicht etwas zu sehen geben können. Selbst Patrick Garreth fügte sich diesmal widerspruchslos, weil auch er endlich weiterfahren wollte.

Amanda hingegen machte keinerlei Anstalten, den Anordnungen des Halbbluts Folge zu leisten. Hasserfüllt starrte sie Parkers Rücken an, währenddem sie zischte: „So werde ich es nicht tun! Sie können mich nicht zwingen!“

Genervt drehte er sich nochmals zu ihr um. Sein kalter Blick ließ sie frösteln. „Ich werde Ihnen die Kleider vom Leib reißen, wenn Sie nicht endlich vorwärts machen! Oder Sie lassen es bleiben, ganz, wie Madam belieben! Aber wir müssen jetzt endlich sehen, dass wir hier wegkommen! Ihretwegen haben wir schon viel zu viel Zeit vertrödelt!“

Sie konnte sehen, wie er die Umgebung hinter ihr noch einmal ausführlich musterte, bevor er sich wieder umdrehte. Sechs Schritte von ihr entfernt blieb er mit abgewandtem Gesicht stehen, das Gewehr mit beiden Händen umfasst, den Zeigfinger nervös am Abzugshahn. Er war bereit, sofort herumzufahren und zu schießen, um ihr im Bedarfsfall Feuerschutz zu geben, damit sie die Kutsche erreichen konnte.

Parker ärgerte sich über sie, aber es war unsinnig, mit ihr zu streiten. Sie war eine uneinsichtige, verzogene Göre, deretwegen er seine Aufsichtspflicht schon viel zu lange vernachlässigt hatte! Er hoffte, dass wenigstens die anderen auf der gegenüberliegenden Seite der Kutsche die Augen offen hielten, weil diese ihm die Sicht versperrte. Er seinerseits konnte nur seitlich nach links und rechts Ausschau halten, so gut und so weit es ihm unter den gegebenen Umständen möglich war. Obwohl er Amanda aus den Augenwinkeln sehen konnte, wenn er den Kopf drehte, versuchte er sich nur auf seine Aufgabe zu konzentrieren.

Im ersten Moment stand diese unschlüssig da. Sie war überrascht über sein Verhalten und wütend, weil er ihr die kalte Schulter zeigte. Dennoch zweifelte sie nach dem Vorfall kaum mehr daran, dass er seine Worte wahrmachen würde, und es lag ihr fern, ihn das unter so vielen Augen unter Beweis stellen zu lassen. Außerdem kam sie sich selbst plötzlich störrisch wie ein Kleinkind vor, das mit dem Kopf durch die Wand rennen wollte, und sah ein, dass sie nicht ihn, sondern nur sich selbst vor den anderen lächerlich machte. Dennoch schleuderte sie einen wütenden Blick nach ihm, der, wäre es ein Schwert oder Messer gewesen, mitten zwischen seinen Schulterblättern steckengeblieben wäre. Danach raffte sie endlich ihre Röcke und hockte sich hin.

Erleichtert stellte Parker fest, dass ihr seine Drohung oder die Angst vor den Comanchen endlich genügte, um ihren Starrkopf zur Vernunft zu bringen. Aufatmend fieberte er dem Moment entgegen, wo sie endlich aufbrechen konnten. Nervös bewegte er seine Finger, um sie geschmeidig zu halten. „Sind Sie fertig?“, fragte er nach einer Weile, ohne sich umzudrehen.

Ich kann nicht!“, jammerte sie.

Ungerührt zuckte er mit den Schultern. „Dann lassen Sie es bleiben! Ihr Begleiter wird sich freuen, wenn Sie Ihr Geschäft in der Kutsche verrichten müssen! - Einsteigen, Mister! Männer, macht euch zur Weiterfahrt bereit! Aufsitzen!“, ordnete er mit befehlsgewohnter Stimme an, während er unbeweglich wie ein Schutzschild vor ihr stehenblieb und damit fortfuhr, die Gegend, die er einsehen konnte, auf heranschleichende Comanchen zu überprüfen. Obwohl er bisher weder eine Feder, noch Rauchzeichen gesichtet hatte, wusste er, dass sie nicht mehr weit entfernt waren.

Auf der gegenüberliegenden Seite stieg Garreth ein.

Er konnte es daran sehen, dass sich die Kutsche unter seinem Gewicht neigte. Rusty verbiss sich ein Grinsen, als er sah, wie Garreth durchs Wagenfenster einen Blick auf die missliche Lage seiner Verlobten zu werfen versuchte, aber die Kutsche stand für ihn in einem so ungünstigen Winkel, dass es ihm nicht gelang. Die vier Soldaten saßen auf und richteten ihre Säbel, Tyler Sinclair schwang sich trotz seines Alters behende auf den Bock. Während er die Zügel vom Kurbelhebel wickelte und die Bremse löste, umrundete Trane die Pferde, um der Generalstochter beim Einsteigen behilflich zu sein.

Als sie ihre Begleiter beschäftigt wusste, konnte sich Amanda endlich erleichtern. Dennoch sah sie sich ständig nach allen Seiten um, ob nicht doch ein neugieriger Gaffer zurechtzuweisen wäre. „Ich bin fertig“, schnaufte sie, nachdem sie ihr Kleid wieder glattgestrichen hatte.

Das ist gut, dann können wir weiterfahren.“ Parkers Stimme klang so ausdruckslos wie seine Miene aussah, als er sich zu ihr umdrehte. Amanda hatte eher Spott erwartet. Sein Blick ging an ihr vorbei und war auf die Gegend hinter ihr gerichtet, um zu kontrollieren, ob sich derweil die Comanchen nicht doch in seinem Rücken schon angeschlichen hatten, aber obgleich er weder etwas Verdächtiges entdecken, noch einen Feind sehen konnte, war das nicht wirklich beruhigend. „Steigen Sie ein!“, drängte er, als sie an ihm vorüber zur Kutsche eilte. „Wenn Sie Hunger haben, soll Ihnen Ben etwas Trockenfleisch geben. Es ist zwar zäh, aber nahrhaft.“

Rusty folgte ihr, um zu seinem Pferd zu gehen. Mit heftigem Kopfschütteln lehnte sie hastig ab. „Danke, ich verzichte! Mein Hunger ist nicht groß genug, als dass ich so etwas essen würde!“, warf sie spitz über die Schulter zurück. Der Stoff ihrer Röcke raschelte, als sie sie anhob, um einzusteigen.

Parker schob die Winchester verärgert in den Sattelschuh, damit er zum Aufsitzen die Hände frei hatte, und griff nach den hängenden Zügeln.

Ben Trane hielt Amanda die Kutschentüre auf, half ihr einzusteigen und sperrte hinter ihr zu. Die Kutsche schaukelte, als sie es sich neben Garreth bequem zu machen versuchte und Ben auf den Bock hinauf hangelte, um sich neben Tyler zu setzen.

Parker schwang sich in den Sattel und riss die Winchester wieder aus dem Scabbard. Er wendete den Schecken auf der Hinterhand. „Es geht weiter, Jungs! Haltet die Augen offen! Ab jetzt wird’s brenzlig!“

Sie kannten sich aus und wussten, dass es so war. Sie nickten.

Mit einem Zungenschnalzen presste Rusty seinem Hengst die Fersen in die Flanken, dass dieser wie von der Sehne geschnellt davonschoss. Sobald er hinter der ersten Anhöhe der beginnenden Berge verschwand, waren sie nicht mehr zu sehen.

Hüa!“ Tyler klatschte die langen Zügel auf die muskulösen Hinterteile, um sein Gespann vorwärts zu treiben. Die Pferde legten sich willig ins Geschirr und zogen an. Er ließ sie in einem schonenden Trab laufen, um Kräfte zu sparen, die sie noch benötigen würden, und folgte seinem alten Freund mit angemessenem Abstand.

Tyler fuhr gern mit Parker zusammen. Er wusste, dass der mehr als jeder andere von dem Geschäft verstand. Sein Können, seine Weitsicht und Schnelligkeit nötigten ihm Respekt ab, und obwohl er meist abweisend und schroff zu allen war, mochte er den jungen Mann. Er lebte lange genug, um zu wissen, dass ein Halbblut unter Weißen nicht anders werden konnte. Als Rothaut war es noch schlimmer als als Schwarzer oder Mexikaner.

Als Andersfarbiger hatte sich Rusty schon als Junge seiner Haut wehren, Verwünschungen und Spott über sich ergehen lassen müssen, ohne zurückgeben zu dürfen, weil alles sonst noch schlimmer geworden wäre. Ihm war nichts geschenkt und nichts erspart worden. Alles, was er heute besaß und war, hatte er sich hart erkämpfen und sich bei allem noch mehr als die Weißen anstrengen müssen, doch selbst jetzt besaß er die Gunst der Gattung Menschen nicht, zu denen er zur Hälfte gehörte. Es gab viele Neider, die ihm selbst die Butter auf dem Brot missgönnten. Parker wurde nicht nur verachtet, verspottet und gehasst, weil er eben anders war, sondern auch, weil er mehr konnte und mehr wusste als andere, weil er sich mehr hatte anstrengen müssen. Einen Lohn dafür hatte er nicht bekommen, außer dass sie sich lustig über ihn machten, wenn er wie jetzt für die dummen Weißen sein Leben aufs Spiel setzte.

 

Die Bodenwellen vor ihnen wurden zunehmend hügeliger. Zu ihrer Linken erhob sich ein weiterer Ausläufer der Berge aus der Ebene, der sich im Dunst wie ein schmutzigbraunes Band weiter nach Westen zog und gleichzeitig zusehends näher an den Hügelzug heranrückte, dem sie bisher gefolgt waren, als versuchten die beiden Flanken die Straße einzuschließen. Etwa Fünf Meilen vor ihnen vereinigten sie sich zu einem einzigen Massiv, wo die steilen Felswände einen weitläufigen Kessel bildeten, der mit einem flaschenhalsartigen Engpass zuletzt in einen schmalen Canyon mündete. Der ideale Platz für eine Falle!

Tyler juckte es am Haaransatz, er kratzte sich am Kopf, als er daran dachte, wie ungemütlich es in ein paar Meilen dort vorne gleich werden konnte. Zwar rollte die Kutsche auf der unebenen Poststraße gemächlich dahin, aber trotz der langsamen Fahrt wirbelte sie eine beträchtliche Menge Staub auf, die von den Pferdehufen und Speichenrädern in die Luft geschleudert und vom Wind verblasen wurde. Tyler war klar, dass die Rothäute längst über ihre Anwesenheit Bescheid wussten, wenn auch noch keine zu sehen waren.

Nicht nur die Bodenwellen nahmen zu, auch die Mesquitesträucher und Paloverdebüsche wurden zusehends dichter und häufiger. Das kurze, harte Gras bildete dazwischen einen grünen, zusammenhängenden Teppich, die kahlen, nacktbraunen Erdstellen wurden seltener. Die langen Arme der Saguarokakteen, die in der Nähe standen, schienen ihnen den Weg zu weisen.

Vor ihnen tauchte Rusty wieder hinter einer Bodenwelle auf und winkte. Das war das Zeichen für Tyler, dass keine Gefahr bestand. Er trieb sein Gespann mit einem Zungenschnalzen zu einem etwas schnelleren Trab an, um dem verschwindenden Mestizen zu folgen. Geschickt lenkte er die Kutsche um die Steinblöcke, die die Fahrbahn blockierten, und um die Schlaglöcher herum, die der Regen ausgewaschen hatte und die ausgefahrene Straße zur tückischen Falle werden ließen. Tylers graue Augen beobachteten scharf jeden Quadratmeter Boden. Er wusste zu genau, dass sie sich eine Panne in dieser gottverlassenen, indianerverseuchten Gegend nicht leisten durften. Wenn eine Achse brach oder eine Radspeiche entzweiging, saßen sie wie Ratten in der Falle. Eine günstigere Gelegenheit zum Angriff als diese würde es für die Comanchen nie geben, und die Zeit würde nicht ausreichen, den Schaden zu reparieren. Die roten Teufel wären über ihnen, noch ehe sie den Ernst der Lage überhaupt richtig begriffen hätten.

Auch die vier Soldaten, die als Begleitschutz mit ihnen ritten, wälzten nicht gerade heitere Gedanken. Es war naheliegend, dass sie dieselben Befürchtungen hegten wie Tyler Sinclair. Den jungen James Cannon ausgenommen, war es für drei von ihnen nicht das erste Mal, dass sie feindliches Gebiet durchquerten. Bereits mehr als einmal hatten sie mit rebellischen Indianern zu tun bekommen und dabei unangenehmen Kontakt gehabt. Sie waren erfahrene Grenzsoldaten, nicht mehr jung, aber auch nicht zu alt, um einen halsbrecherischen Job zu erledigen, bei dem es nur zu verlieren gab.

George Miles, Dean Beacher und Peter Collins hatten schon 1862 unter Captain Thomas Roberts am Apachen-Pass gegen Geronimo, Mangas Coloradas und Cochise gekämpft, der mit 700 Kriegern, der größten Kampfeinheit, die ein Apachenhäuptling jemals befehligte, im Hinterhalt lag. Sie kannten ihre Taktik gut genug, um zu wissen, dass sie bei einem Angriff der Comanchen kaum den Hauch einer Chance hatten, lebend davonzukommen. Obwohl die Indianer mit modernen Gewehren umzugehen verstanden, führten sie auch immer Pfeil und Bogen mit sich, mit denen sie noch auf hundert Meter tödlich trafen.

James Cannon war der einzige, der nie eine richtige Schlacht erlebt hatte. Alles, was der Kavallerist über Indianer wusste, hatte er von anderen aus Geschichten erfahren, die meist aufgebauscht worden waren und kaum mehr der Wahrheit entsprachen. Er hielt die Rothäute für blutrünstige Bestien, die aus Freude am Töten mordeten. Ihn darüber richtig aufzuklären, hielt niemand für nötig. Noch immer galt das Schlagwort: „Nur ein toter Indianer ist ein guter Indianer.“ Je weniger die Wahrheit über sie wussten, desto mehr konnten aufgewiegelt werden, gegen sie zu kämpfen.

Siehst du was, George?“, rief Cannon seinem Lieutenant mit einem Blick über die Schulter nervös zu. Die plötzlich eingetretene Stille gefiel ihm nicht.

Es war fast windstill, kaum ein Lüftchen regte sich. Die Mittagshitze lastete wie ein Fluch über dem Land. Selbst die Vögel und Mücken waren verstummt. Noch nicht einmal die Fahrgäste redeten. Bis auf das Rattern der Metallreifen und das Hufgeklapper der Zugpferde war es unheimlich still. Beunruhigend und lähmend.

Lieutenant George Miles, der normalerweise eine ganze Truppe Infanterie befehligte, schüttelte den Kopf. Weil er mit Dean Beacher und Peter Collins hinter der Kutsche herritt, waren nicht nur ihre Uniformen braun vom Staub. Er saß mit geradem Rücken aufrecht im Sattel, als hätte er einen Ladestock verschluckt, aber manchmal ließ er wie jetzt die Beine neben den Steigbügeln herunterbaumeln, um seine Knie zu entlasten. Bei seinen Leuten war der hagere, nahezu zwei Meter große Mann beliebt, weil er einfühlsam war und nicht zu der Sorte gehörte, der seine Untergebenen schikanierte. „Nichts, Kleiner“, rief er mit einem beruhigenden Lächeln zu Cannon zurück. In seinem glattrasierten Gesicht bildeten die weißen Zahnreihen einen scharfen Kontrast zu seiner gebräunten Haut, als er lächelte. Seine blauen Augen leuchteten lebhaft. „Noch sind sie nicht da. Parker wird uns schon Bescheid geben, wenn sie sich nähern“, fuhr er fort.

Angst, Jimmy?“ Dean Beacher, der hinter Cannon ritt, grinste, als dieser nickte und ein ersticktes: „Ja!“, ausstieß, um sich dem Hintermann verständlich zu machen. Er ließ sein Pferd zurückfallen, um besser reden zu können.

Das brauchst du nicht. Wenn sie dich töten, tun sie es bestimmt nur einmal“, meldete sich Collins von der anderen Seite her zynisch zu Wort.

Cannon lächelte schwach und nickte, seine Miene drückte Furcht aus, als er Peter mit einem missmutigen Blick bedachte, als er antwortete: „Ja, bestimmt, das werden sie nur einmal tun!“ Daraufhin schwieg er, weil er sich gefoppt und nicht ernstgenommen fühlte.

Die drei Lieutenants grinsten ihm aufmunternd zu. Für ihn war es unverständlich, warum sie sich weit weniger Sorgen machten als er, dabei hielten sie es lediglich für früh genug, darüber nachzugrübeln, wenn es soweit war.

Beleidigt kehrte Cannon wieder an seinen Platz neben der Kutsche zurück. Collins warf seinen Freunden einen belustigten Blick zu, dann hieb er seinem Braunen die Absätze in die Flanken, um auf der gegenüberliegenden Seite zu ihm aufzuschließen.

Miles und Beacher zogen wieder ihre Halstücher vors Gesicht, um Mund und Nase vor dem gröbsten Staub zu schützen, der von den Hufen und Rädern hochgewirbelt wurde. Sie hielten zehn Meter Abstand, um das Gelände besser überblicken zu können, aber Gott sei Dank war von den Rothäuten noch immer nichts zu sehen.

 

Die beiden Bergflanken rückten unaufhörlich näher, und je mehr sie sich dem Flaschenhals näherten, desto höher wuchsen die steilen, braunen Felswände in den Himmel.

Schon seit über einer halben Stunde war von Parker nichts mehr zu sehen gewesen. Vor ihnen beschrieb die Poststraße eine scharfe Linkskurve, in deren Knie dichtes Gebüsch wuchs, das bis auf zehn Yards an die Fahrspur heranreichte. Automatisch fasste Ben Trane seine Winchester mit beiden Händen fester, als Parker ausgerechnet aus dieser unübersichtlichen Richtung plötzlich unerwartet vor ihnen auftauchte. Tranes Augen waren von der gleißenden Sonne gerötet und brannten, so dass er den herankommenden Reiter nicht sofort erkannte.

Das ist Parker, Ben“, erklärte Tyler Sinclair beruhigend, der die Bewegung seines Begleiters aus den Augenwinkeln wahrgenommen hatte.

Dieser entspannte sich mit einem hörbar erleichterten Seufzer. „Mann, du hast verdammt gute Augen, Ty. Jetzt erkenne ich ihn auch. Macht dir die Sonne eigentlich nie etwas aus?“

Sinclair schüttelte seinen schlohweißen Schopf und grinste. „Ich bin es gewohnt.“

Rusty lenkte den Hengst neben das Gespann, wendete ihn und brachte sich neben Tyler. Während die Kutsche weiterrollte, sagte er: „Nichts zu sehen da vorne, die Gegend ist sauber. Ich verstehe nicht, warum sie so lange warten.“

Umso besser für uns, oder?“, fragte Ben hoffnungsvoll.

Parker nickte mit grimmiger Miene. „Ja. Aber die Sache gefällt mir nicht. Ich fürchte, Red Fox will uns in Sicherheit wiegen, um sich uns unauffällig zu nähern. Wir müssen die Augen offen halten. Fahren Sie langsam weiter, Ty. Da vorne rechts vor der Schlucht ist eine Anhöhe. Sie sieht fast so aus wie eine natürliche Festung mit einem Schutzwall davor und ist nur von wenigen Sträuchern abgeschirmt. Verschanzt euch dort und geht in Deckung. Ich will mich erst in der Schlucht umsehen, ob wir durchkommen oder ob allenfalls die Roten dort auf uns warten. Ich komme und hole euch, wenn sie sicher ist.“

Er alte Kutscher nickte. „In Ordnung, Junge. Wie sieht’s mit der Deckung aus?“

Ihr habt euch nur nach zwei Seiten zu verteidigen. Die Felswände sind zu steil, als dass man sie erklettern könnte. Es genügt, wenn die Lady sie im Auge behält, falls die Comanchen euch von oben in die Zange zu nehmen versuchen, was eher unwahrscheinlich ist. - Wie steht’s bei euch? War in der Zwischenzeit was Besonderes?“

Nichts, Parker. Der junge Cannon scheint kalte Füße bekommen zu haben, das ist alles.“

Keine Schwierigkeiten mit unseren Fahrgästen?“, erkundigte sich Rusty mit zusammengezogenen Augenbrauen.

Tyler schüttelte den Kopf. „Wir haben von beiden nichts gehört, sie verhalten sich ruhig.“

Das ist gut. Dann Hals- und Beinbruch.“

Er wollte dem Schecken gerade die Sporen wieder geben, als James Cannon dazwischenrief: „Hey, Parker, was ist das?“ Mit ausgestrecktem Arm zeigte er nach Südwesten.

Hinter dem Bergkamm stieg eine dünne Rauchsäule empor. Aller Augen gingen in die angewiesene Richtung.

Rauchzeichen!“, murmelte Parker stirnrunzelnd. Er wendete den Hengst um seine Achse, um sich umzusehen. Hinter dem Ausläufer auf der linken Seite entdeckte er in südöstlicher Richtung weitere Rauchschwaden, die in unterschiedlichen Abständen voneinander in den Himmel stiegen.

Und was sagen sie?“, fragte Cannon nervös.

Rusty sah ihn mit eisigem Blick nur kurz an. Der junge Mann stand sichtlich einer Panik nahe. Mit peitschender Stimme stutzte er ihn zurecht: „Nehmen Sie sich zusammen, Cannon! Verlieren Sie nicht die Nerven! - Sie wissen, wo wir sind! Seht zu, dass ihr die Deckung da vorne erreicht, schnell! Es wird nicht mehr lange dauern, bis der Tanz losgeht! Haltet euch bereit!“

Vielleicht könnten wir’s bis zur Traderstation schaffen“, mutmaßte Trane hoffnungsvoll.

Parker schüttelte den Kopf. „Ich befürchte, dafür sind sie schon zu nah. Vielleicht warten sie ja auch darauf, dass wir in Panik in die Schlucht reiten, um uns von oben anzugreifen. Also los, beeilt euch! Ich kontrolliere die Schlucht und komme euch holen, falls wir durchkommen!“

Der Schecke schoss wie ein Pfeil davon und verschwand hinter der nächsten Bodenwelle. Den Schweif hoch in die Luft gereckt, sprengte er zwischen den Sträuchern und Kakteen hindurch und sprang über kleinere Felsblöcke. Die weiße Mähne peitschte den Hals, die kleinen Hufe schienen kaum den Boden zu berühren.

Tyler nickte, obwohl Parker es schon nicht mehr sehen konnte. Er klatschte seinen Pferden die Zügel über die Hinterteile, gab ihnen den Kopf frei und trieb sie zu einem schnellen Galopp an. „Halt dich fest, Junge!“, rief er seinem Beifahrer fast zu spät zu, als sich die sechs Braunen schon in die Zügel legten und mit ungestümer Kraft vorwärtsstürmten.

Im Inneren der schlingernden Kutsche wurden die beiden Insassen heftig durchgerüttelt. Mit entsicherten, schussbereiten Waffen preschten die vier Soldaten kampfbereit dicht neben und hinter ihnen her.

Trane kniff vor Anspannung die Lippen zu einem schmalen, weißen Strich zusammen, derweil seine verkrampften Hände den Kolben seiner Winchester vergewaltigten, bis die Knöchel blutleer schimmerten. „Die sollen nur kommen, diese Hunde! Ich mach sie alle kalt, die gottverdammten Rothäute!“, knurrte er.

Um’s Himmels Willen, beschrei’s lieber nicht, Ben!“, rief Tyler, während er mit der Peitsche knallte.

Diesmal stampften sie eine riesige Staubwolke in den Himmel, aber jetzt, wo die Comanchen ihren Standort kannten, kam es nicht mehr darauf an. Mit ächzendem Gestell holperte die Kutsche schlingernd über den mit Schlaglöchern durchsetzten und vom Regen ausgewaschenen Fahrweg. Zum Glück war Tyler noch so agil, dass er rechtzeitig reagierte und die Pferde richtig lenkte, die sich willig ins Zeug legten. Das Trommeln ihrer beschlagenen Hufe dröhnte in ihren Ohren wie wütendes Donnergrollen.

Angespannt drehte sich Trane nach Sinclair um, während sie hart durchgerüttelt wurden. „Was meinst du, Ty? Ob wir’s doch noch bis zur Station schaffen?“

Tyler nahm den Blick nicht von der Straße, er zuckte nur, so gut es ihm eben möglich war, mit den Achseln, während er seine Peitsche schwang, um sein Gespann vorwärtszutreiben. „Ich weiß nicht. Parker hat recht, sie sind da. Man kann sie zwar noch nicht sehen, aber sie sind da. Ich rieche es.“

Wirklich? Deine Nase möchte ich haben.“

Das hat nichts mit der Nase zu tun, Junge, es ist mein Instinkt, der mich warnt. Ich habe lange genug mit Rothäuten zu tun gehabt, um ihren Geruch zu kennen. Die Berge sind voll von ihnen. Ich glaube nicht, dass wir es bis nach Gainesville schaffen. Vielleicht bis zur Traderstation - wenn wir Glück haben!“

Er trieb seine Gäule weiter. Die Kutsche schaukelte auf der unebenen Fahrbahn wie eine Jolle bei starkem Seegang. Tyler heftete die Augen ausschließlich auf die Straße und konzentrierte sich. Er durfte keine Sekunde unachtsam sein, wenn er sie nicht alle in Teufels Küche bringen wollte. Trotz der schnellen Geschwindigkeit lenkte er das Gespann sicher um die Felsblöcke und Schlaglöcher herum.

Siehst du was, Dean?“, schrie Ben Trane dem Reiter hinter der Kutsche zu, indem er sich weit seitwärts nach hinten lehnte.

Beacher sah sich zuerst gründlich um, bevor er den Kopf schüttelte. „Noch nichts, Ben!“

Dieser winkte ihm dankend zu. Nur wenig erleichtert, setzte er sich wieder auf den Kutschbock. „Vielleicht schaffen wir’s doch, Ty“, murmelte er hoffnungsvoll und warf dem alten Mann einen raschen Seitenblick zu.

Dieser nickte, ohne die ausgefahrene Straße auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen, aber es war ein Nicken zur gegenseitigen Beruhigung, nicht, weil er gleicher Meinung war.

 

Parker galoppierte auf seinem Schecken bis zum Canyon, dorthin, wo die engstehenden Felsen den Eingang zur Schlucht bildeten, aber anstatt geradeaus hineinzureiten, scherte er nach rechts aus. Falls sich da vorne Indianer auf den Hügeln befanden, verloren sie ihn dadurch aus dem Blickfeld. Er ritt in eine kleine Senke hinunter, die sich am Fuße der Bergflanke befand. Über ihm ragten die unüberwindlichen Steilwände nahezu senkrecht in den Himmel. Er nahm das Lasso vom Sattelhorn und schwang sich aus dem Sattel. Der Hengst legte sich in der Senke nieder, die tief genug war, dass er von der festungsähnlichen Anhöhe aus nicht mehr gesehen werden konnte, die er Tyler angewiesen hatte. Und selbst wenn ein Reiter direkt an ihnen vorüber in die Schlucht galoppiert wäre, hätte sie den Schecken seinen Blicken entzogen.

Mit geübtem Schwung warf Parker das Lasso in die Höhe. Er zielte auf einen spitzen Felsvorsprung in der Steilwand, der sich etwa zwanzig Meter über seinem Kopf befand. Die Schlinge saß schon nach dem ersten Wurf. Er straffte das Seil, kontrollierte die Stabilität der Felsnase und zog sich am Lasso in die Höhe. Er überwand die zwanzig Meter mit der Leichtigkeit einer Bergziege. Vorsprünge und Ritzen benutzte er als Stufen, und mit den Händen zog er sich am Lasso hinauf. Oben löste er die Schlinge von der Felsnase, rollte das Seil auf und warf es ein zweites Mal. Behende und sicher kletterte er so hinauf, bis er ganz oben angelangt war. Entgegen seiner Befürchtung befand sich jedoch kein einziger Comanche da oben am Rand des Canyons. Auf beiden Seiten der Schlucht konnte er nur Risse und Spalten und kahle Felsen erkennen. Doch vorsichtig wie er war, gab er sich damit noch nicht zufrieden, er wollte ganz sicher sein. Vorsichtig schlich er dem rechten Rand der Schlucht entlang.

 

Mir juckt der Skalp, als hätt’ ich Flöhe“, murmelte Tyler zwischen zusammengebissenen Zähnen. Darüber zu reden half, die Belastung auszuhalten. Die wachsende Anspannung fühlte sich an wie ein Damoklesschwert, das in ihrem Nacken saß. Sie wussten, dass es passieren würde, aber darauf zu warten war schlimmer, als der Moment, wenn es geschah. „Die roten Teufel haben irgendetwas vor! Wenn sie uns jetzt angreifen, können wir nur noch beten!“

Daraufhin schwiegen beide.

Ben dachte an seine Verlobte. Er war sicher, dass sie mit bangem Herzen auf ihn wartete, und verfluchte den Tag, an dem er den Auftrag erhalten hatte, die Kutsche auf dieser Höllenfahrt zu begleiten. Anfangs war er stolz auf das Vertrauen gewesen, das sein Boss in ihn setzte, aber da hatte er noch nicht wirklich begriffen, in was er sich da einließ. Jetzt dachte er anders darüber, aber es gab kein Zurück mehr - für keinen von ihnen! Sie mussten ihren Weg weitergehen, von dem sie nicht wussten, wohin er führte! Die Kutsche im Stich zu lassen und zu versuchen, sich allein durchzuschlagen, kam einem Selbstmordversuch gleich! Die Comanchen wären über ihm, noch ehe er eine einzige Meile zwischen sich und die anderen gebracht hätte!

Während Trane der Lage realistisch gegenüberstand, hielt der junge James Cannon der Belastung nicht stand. Die Panik schwappte wie eine Sintflut über ihm herein, ohne dass es ihm gelang, sie zu unterdrücken. In seiner Verzweiflung sah er die einzige Chance in der Flucht. Er riss seinen Braunen herum. „Ich verschwinde, Leute! Macht’s gut!“, schrie er ihnen über die Schulter zurück zu, während er ihm die Absätze in die empfindlichen Flanken hieb und davongaloppierte.

Entsetzt fuhr Trane zu ihm herum.

Dreh nicht durch, Junge! Die erwischen dich, noch bevor du eine Meile weit weg bist!“, schrie Tyler. Es war das erste Mal, dass er seine Aufmerksamkeit für einen Augenblick von der Straße nahm.

Jimmy, komm zurück!“, brüllte Ben ebenso vergeblich hinter ihm her, aber Cannon war bereits auf dem Weg zurück, woher sie gekommen waren.

Dean Beacher versuchte ihm mit seinem Pferd den Weg abzuschneiden und wurde von ihm fast über den Haufen geritten. „Komm zurück, Jimmy! Du hast keine Chance!“, schrie er außer sich, aber es war vergeblich. Taub vor Angst war Cannon drauf und dran, blindlings ins Verderben zu reiten, ohne dass die anderen etwas für ihn tun konnten.

Ben stand auf dem Kutschbock und schrie sich vergeblich die Lunge aus dem Leib. Tyler ließ die Peitsche über den Köpfen der Pferde knallen, damit sie ihr rasches Tempo beibehielten. Es gab keine Möglichkeit, den Idioten zurückzuhalten, sie mussten ihn im Stich lassen und ihren Weg fortsetzen, um sich selbst in Sicherheit zu bringen!

Ums Himmels Willen, was tut er denn da?“ Erschrocken streckte Amanda Chesters den Kopf aus dem Wagenfenster. Mit vor Entsetzen geweiteten Augen starrte sie dem davongaloppierenden Soldaten hinterher.

Beacher riss den Lauf seiner Winchester in die Höhe. Gleich darauf zerriss die Detonation seines Schusses die Luft und wurde als ohrenbetäubendes Echo von den Felswänden zurückgeworfen.

Cannon warf die Arme in die Luft wie eine Puppe, bevor er kopfvoran aus den Sattel geschleudert wurde, als sein Gaul unter ihm einknickte.

Beachers Kugel hatte den Braunen gefällt wie einen Baum. Der Lieutenant gab seinem Pferd die Sporen und galoppierte los.

Trane stieß einen erleichterten Seufzer aus, während er sich zu seinem Fahrgast hinunterbeugte. „Nichts! Sie bekommen einen neuen Passagier!“, knurrte er mit versteinerter Miene unfreundlich. „Der Idiot hat durchgedreht! Ziehen Sie besser den Kopf ein, Miss! Bald wird es hier von Rothäuten wimmeln, dann fliegen uns allen Blei und Pfeile um die Ohren!“

Amanda war totenblass, als sie den Kopf rasch wieder einzog und sich hinsetzte. Ihre Finger krallten sich hart ins Holz der Kutschentüre.

 

Parker wirbelte herum, als er den Schuss hinter seinem Rücken hörte. Er musste die Augen zusammenkneifen, um deutlicher zu sehen, weil ihn die Sonne blendete. Die Postkutsche zog eine riesige Staubfahne hinter sich her, aber weil die Straße einen Bogen beschrieb, konnte er von seiner erhöhten Warte aus einen Mann und ein Pferd am Boden liegen sehen, das sich nicht mehr bewegte, und einen Soldaten, der vom Wagen wegsprengte, um zu dem anderen Mann zu gelangen, der sich gerade wieder aufrappelte.

 

Beacher brachte sein Pferd mit einem solch harten Ruck neben Cannon zum Stehen, dass der Staub aufwirbelte, als der Braune die Hufe in der Erde einsteckte.

Warum hast du das getan?“, jammerte Cannon weinerlich, als er wieder auf die Beine kam und den Staub aus der Uniform klopfte.

Beacher blickte mit grimmiger Miene finster auf den Grünschnabel nieder. Er hatte keine Zeit für eine Antwort. „Nimm ihm die Satteltaschen ab, nimm dein Zeug und steig auf, du Idiot!“, befahl er ihm scharf.

Cannon gehorchte ohne Widerrede, aber in seiner Miene spiegelte sich die Verzweiflung, die er empfand. „Die werden uns alle umbringen!“, jammerte er.

Zuallererst hätten sie dichskalpiert! Also, beeil dich, sonst sind wir beideals erste dran!“

In Beachers Miene fand er kein Bedauern - höchstens für sein Pferd, das er hatte erschießen müssen, um ihn am Abhauen zu hindern. In wütender Verzweiflung zerrte Cannon die Satteltasche mit seinem Proviant und der Zusatzmunition unter dem Pferd hervor und schwang sie sich über die Schulter, dann riss er das Gewehr aus dem Sattelschuh und seine Wasserflasche vom Sattelhorn. Ängstlich blickte er der schwindenden Postkutsche nach.

Los, hoch mit dir!“ Beacher streckte ihm die Hand entgegen und zerrte ihn hinter sich in den Sattel. Wie von der Sehne geschnellt schoss sein Pferd danach davon und galoppierte der Staubwolke hinterher.

 

Parker atmete erleichtert auf, als der Soldat dem anderen die Hand entgegenstreckte, ihn auf sein Pferd hochriss und sie zusammen wieder zur Kutsche zurückgaloppierten. Hinter ihnen war nichts von den Comanchen zu sehen. Glücklicherweise war auch kein weiterer Schuss gefallen. Aber die Rauchzeichen besagten, dass es bis zum Angriff wahrscheinlich nicht mehr allzu lange dauern würde. Seufzend schüttelte Parker den Kopf. Was auch immer gerade dort passiert war, es war nicht wegen der Comanchen gewesen!

Geduckt hastete er weiter dem Rand der Schlucht entlang, um bis zu ihrem Ende zu gelangen, wo die Felsen wie bei einem Flaschenhals noch enger zusammenrückten. Das war auch unten die schmalste Stelle, die passiert werden musste. Sie war so eng, dass eine Kutsche gerade noch durchkam, aber daneben blieb kein Platz mehr für einen Reiter. Es war deshalb die gefährlichste Stelle, weil eine angegriffene Kutsche dann alles blockierte und von oben mit Mann und Maus erledigt werden konnte, ohne dass die Angreifer nennenswerte Verluste verzeichneten.

Über diesem Engpass lag ein langer, quadratisch geschliffener Felsen wie eine Brücke, der, wie Parker wusste, nicht natürlichen Ursprungs war, doch nun würde er ihn dazu benutzen können, um darüber auf die andere Seite und hinter den Hügelzug zu gelangen, um nachzusehen, ob sich die Comanchen von dort her gerade erst anschlichen.

 

Die Postkutsche drohte durch die schnelle Fahrt beinahe auseinanderzubrechen.

Ben Trane beugte sich zum Guckloch hinunter, das sich zwischen ihm und Tyler befand, damit ihn die Insassen verstanden, dennoch riss ihm der Fahrtwind die Worte vom Mund. „Wir haben es bald geschafft, Leute! Da vorne auf dem Hügel verschanzen wir uns!“ Tapfer versuchte er Zuversicht zu vermitteln, die er selbst nicht empfand.

Als er sich aufrichtete, hatte Beacher gerade die Kutsche wieder erreicht und nahm sein Pferd aus vollem Galopp neben ihm etwas zurück. Mit einem missratenen Grinsen nickte Trane ihm dankbar zu. „Gut gemacht, Dean.“

Alle Achtung, mein Junge!“, ließ sich Tyler respektvoll vernehmen.

Beacher entblößte eine Reihe seiner Zähne, aber es war kein erfreutes Lachen, als er sich im Sattel nach seinem Mitreiter umdrehte. „Los, rauf mit dir und Kopf einzeihen, Lady! Jetzt geht’s um die Wurst!“, befahl er wütend.

Cannon gehorchte zähneknirschend. Es ärgerte ihn, dass ihn Beacher als Ladybezeichnete, aber er schwieg wohlweislich. Dass ihn der Lieutenant für einen Feigling hielt, hatte er sich selbst zuzuschreiben. Er warf Gewehr, Wasserflasche und Satteltasche voraus, bevor er sich vom Pferderücken aus aufs Kutschendach hangelte, wo er sich bäuchlings in Stellung brachte.

Er hatte sich kaum hingeworfen, als sich das Trampeln der keuchenden Pferde unvermittelt mit dem ohrenbetäubenden Kriegsgeheul der sich schnell nähernden Comanchen mischte, das hinter ihnen aufklang.

Gott verdammt, sie sind da!“, schrie George Miles hinter ihnen warnend.

Um Gottes Willen!“, kreischte Amanda in der Kutsche entsetzt.

Als Ben Trane sich auf dem Bock zurückdrehte, konnte er die Staubwolke sehen, die die Indianerponys aus dem Boden stampften.

Tyler lehnte sich in seinem Sitz weit vor, gab dem Gespann den Kopf frei. Energisch hieb er mit den Zügeln auf seine Pferde ein und ließ die Peitsche über ihren Köpfen knallen, um sie zu Höchstleistung anzutreiben. „Die verfluchten Insmen machen sich nicht mal die Mühe, sich anzuschleichen!“, knirschte er vor Erregung wütend.

Collins auf seiner Seite nickte. Er lehnte sich weit im Sattel vor. „Möchte wissen, aus welchem verdammten Loch sie gekrochen sind!“

Die haben sich nicht erst gesammelt, als sie die Rauchzeichen gesehen haben, so viel steht fest!“, nickte Beacher, während er seinem Braunen die Zügel um die Ohren hieb.

Mit Schreien und Hieben trieben sie die Pferde zu rasendem Galopp an. Die Reiter standen in den Steigbügeln, um ihr Gewicht zu verlagern und damit ihren Tieren eine schnelleres Tempo zu ermöglichen.

Trane sah sich wieder nach den Comanchen um. Sein Gesicht wirkte kalkweiß, kalter Schweiß stand auf seiner Stirn. „Sieht fast so aus, als hätten die Höllenhunde auf uns gewartet, dass sie innerhalb von Minuten schon hier sind!“

Donnerlitzchen, sag so was nicht, Junge!“, entfuhr es dem Alten ungewollt. Allein der Gedanke daran beinhaltete eine erschreckende Dimension.

Beacher nickte. Er verbiss sich einen Fluch. Das würde bedeuten, dass General Chesters mit dem Informanten Recht behalten hatte! Hoffentlich würden die im Fort wenigstens feststellen, wer’s war!

Verzweifelt hieben sie mit den Zügelenden und Absätzen auf die schon flockenden Pferde ein. Tylers Peitsche knallte eins ums andere Mal. Ihnen brach der kalte Angstschweiß aus, obwohl sich die Tiere willig streckten und ihr Bestes gaben, aber es sah nicht danach aus, als ob sie Boden gewinnen würden. In wildem Galopp preschten sie auf den angegebenen Hügel zu, von dem sie hofften, dass ihnen die Anhöhe wirklich genügend Schutz bot, um die Comanchen abzuwehren.